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Herr..?.

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Ein Gebet in einer Zeitung, peinlich, nicht wahr? So öffentlich! Das behält man doch Für sich. Ja, in Gedichtform und zu Weihnachten und zu Ostern, poetisch und schön gedruckt, kann es ja etwas sehr Gefälliges sein, gehört ja dazu und wird überlesen. Wie lange dauert Weihnachten? Und Ostern?

-Herr, laß mich ungefällig sein und peinlich wirken, aber nicht ganz überlesen werden. Laß mich neben den Jüngern von Emmaus am Ende eines Tages wandern und dich auch nicht erkennen, bis du das Brot brichst bei ihnen zu Hause. Ich gehe nicht wegen dieses gemeinsamen Abendessens mit den beiden, und ihre Verzweiflung und Ratlosigkeit ist auch nicht die meine. Ich gehe mit, um den Satz sagen zu können: „Brannte nicht das Herz in uns, da er auf dem Wege mit uns redete und uns die Schriften auslegte?“

Um dieses Herzbrennens willen möchte ich mitgehen. Nach den Oster- tagen würden wir von Jerusalem aufbrechen. Kleophas und der andere kennen auf diesem Weg nach Emmaus, nach Hause in ihr kleines Dorf, nur den Karfreitag und haben keine Ahnung vom Ostersonntag, Herr, von deiner Auferstehung! Und nur mit dem Karfreitag im Kopf und Herzen wandert es sich wahrlich bedrückt und beschwerlich und hoffnungslos.

Die beiden hätten es ja leichter, die drückte dein erster Tod und all das, was Für sie, zwei Tage danach, unverständlich und endgültig und unwiderruflich daran war. Ich aber, ich käme überhaupt kaum vom Fleck, ich wüßte ja um fast zweitausend Jahre mit zweitausend Karfreitagen und ebensovielen Ostersonntagen danach um das,’was sie dir angetan haben, alle die, welche auf die Jünger von Emmaus folgen. Was wir aus dem ersten Karfreitag gemacht haben, wir, deine Kirche, Auferstande-‘ ner!

Wenn du dich heute auf einer Landstraße zu uns gesellen würdest - schon deine erste Frage wäre uns peinlich und wir gingen wohl bald auf die andere Straßenseite. Man würde uns nicht für Brüder halten, dich und uns, nein, ganz bestimmt nicht, du wärst nicht das Haupt und wir nicht die Glieder, du wärst uns eine Peinlichkeit, die man am Straßenrand zurückläßt und sich dabei schwört, das nächste Mal doch lieber wieder mit dem Auto zu fahren.

„Ihre Augen aber waren gehalten“, heißt es bei Lukas, „so daß sie ihn niclrt erkannten.“ Unsere Augen sind doch nicht mehr gehalten, Herr, wir haben dich doch erkannt, wir benötigen doch das Brotbrechen nicht mehr als Erkennungszeichen, wir sind doch deine Erlösten, wir wissen doch, was auf den Karfreitag folgt, wir haben doch keine Fragen und keine Angst, wir haben doch dein Wort!

Würdest du uns anreden oder auf andere warten, für die du kein Thema bist? Würdest du uns, deine Kirche, fragen, warum wir da in einer Fernsehrunde beisammen sitzen und darüber reden, ob diese deine Kirche krank ist oder nicht, und wenn ja, warum?

Wir waren mehr als zwei oder drei, und sicher in deinem Namen versammelt, Herr. Warst du mitten unter uns? „Oh ihr Unverständigen, wie kommt ihr doch so langsam zum Glauben an all das, was die Propheten verkündet haben!

Dann fing er an mit Moses und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm geschrieben steht.“

Herr, ich beneide die Jünger von Emmaus so sehr!

Gib uns Straßen, Herr, auf denen du dich zu uns gesellen kannst, und Gesprächsrunden, in denen du mitten unter uns bist, und gib’ es nicht auf, uns Unverständigen die Schrift auszulegen, damit unser Herz nicht nur schlägt, sondern brennt!

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