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Hier „starker Geist”, dort „große Seele” …

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Man staunt ein bißchen, daß da eigentlich noch immer alles so frisch wirkt. „Capriccio”, in einer weiß Gott nicht mehr ganz taufrischen Inszenierung Rudolf Hartmanns (neueinstu- diert von Richard Bietschacher), hat in all den Jahren eigentlich fast nichts eingebüßt. So wenig brisant das Thema ist, so undramatisch die Handlung, so synthetisch Musik und Sprache. Aber es hat sich diese Produktion ein gewisses Flair bewahrt, und nicht zuletzt dank Rudolf Kautskys stilvoll elegantem Bühnenbild. Die Staatsoper hatte schon recht, dieses Konversationsstück für Musik (Libretto: Clemens Krauss) für die Richard- Strauss-Festtage noch einmal hervorzuholen.

Vor allem weil es da eine geradezu ideale Interpretin für die Partie der Gräfin Madeleine gibt: Gundula Ja- nowitz, die diskret, verhalten, von eigenartigem Liebreiz ist. Und stimmlich ist diese Partie für sie wie maßgeschneidert. Der Goldton des Timbres stimmt, die große klare Stimme brilliert vor allem im herrlichen Sonettschlußgesang. Und in der Diktion ist eigentlich alles so, wie es in dieser „Oper” sein muß: klar, fein pointiert, witzig.

Vergleichbares gibt es rund um sie nur wenig. Aber nicht nur, weil da einige Sänger stimmlich nur halb entsprechen. Es liegt auch - sehr wohl merkbar - an Bietschachers szenischer Führung, die oberflächlich und glatt wirkt. Zwar flattert und turtelt, flirtet und tändelt ein jeder. An Posen und Gesten mangelt es nicht, auch nicht an jener prickelnden Mischung aus großer Welt und vulgärer Aufge- putztheit der Theatercharaktere. Aber um dieses vielschichtige Spiel in allen Facetten auszubreiten und auszuloten, müßten die Szenenfacetten wohl viel feiner geschliffen sein.

Christa Ludwig singt die Schauspielerin Clairon: kultiviert, mit Raffinement und feinen Pointen. Aber über die Partie der feschen Primadonna ist sie ein wenig hinaus. Besonders seit sie während der Strauss-Festtage eine so aufregende Klytämnestra in der „Elektra” gesungen hat.

Ein Ereignis ist übrigens Editha Grubefova als junge italienische Sängerin. Eitel und durchtrieben, modisch aufgeputzte Halbwelt. Hans Helm als Graf hat die Gemessenheit eines Edlen. Oskar Czerwenka ist ein sympathisch liebenswerter Theaterchef La Roche. So recht das „altmodische” Theater von 1775 vertretend, einer, der Glucks geistige Reform und Tragödienideen nie verstehen wird, weil er bloß vom Handwerk etwas mitbekommen hat. Gottfried Homiks Dichter Olivier und Waldemar Kmentts Komponist Flamand (vom Publikum ausgebuht) sind farblose Figuren. Stimmlich bescheiden. Jedenfalls nicht der „starke Geist” und die „große Seele”, nicht die Schwärmer, die eine solche Gräfin in Verlegenheit stürzen, weil sie zwischen ihnen wählen soll. Von rechts wegen müßte sich Madeleine von diesen Kleinbürgergenies abwenden. Daß,sie ihre Muse’ wird, scheint Verschwendung an Zeit.

Horst Stein dirigierte korrekt, mit viel Gefühl und Gespür für Strauss’ weite Melodiebögen und deren Spannungen. Ein Abend mit vielen schönen Momenten. R. W.

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