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Humanere Behandlung im Altenheim

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Der ältere Mensch steht immer mehr im Mittelpunkt des Interesses. Es ist durchaus erfreulich, daß sich die Gesellschaft seiner in unseren Tagen wesentlich stärker annimmt als noch vor wenigen Jahren. Weniger erfreulich ist es hiebei allerdings, daß die Interessennahme keineswegs immer aus rein selbstlosen Gründen erfolgt.

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Der ältere Mensch steht immer mehr im Mittelpunkt des Interesses. Es ist durchaus erfreulich, daß sich die Gesellschaft seiner in unseren Tagen wesentlich stärker annimmt als noch vor wenigen Jahren. Weniger erfreulich ist es hiebei allerdings, daß die Interessennahme keineswegs immer aus rein selbstlosen Gründen erfolgt.

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Das stärkere Interesse gilt der älteren Generation nicht etwa vor allem deshalb, weil sich mittlerweile womöglich die Erkenntnis Bahn gebrochen hat, daß der ältere Mensch in den zurückliegenden Jahren vernachlässigt wurde, daß ihm in der Gesellschaft nicht jene geachtete Stellung eingeräumt wurde, auf die er nicht zuletzt dank seiner Leistungen in der Vergangenheit einen legitimen Anspruch hat, sondern vielfach aus sehr eigensüchtigen Gründen.

Der alte Mensch wurde in der Zwischenzeit vor allem auch als ungemein interessanter Konsument auf den verschiedensten Ebenen entdeckt. Doch nicht damit möchte ich mich heute beschäftigen, obwohl gerade zur letzteren Frage sehr viel zu sagen wäre.

Ich möchte mich in meinen nachfolgenden Ausführungen ganz bewußt auf eine einzige Frage, die für die'ältere Generation von ungemein großer Bedeutung ist und der die Gesellschaft dankenswerterweise starke Beachtung schenkt, beschränken, und das ist die Rolle des älteren und alten Menschen als Bewohner und Benützer von Altenheimen.

Auf diesem Gebiet ist in den letzten Jahren ohne jeden Zweifel sehr viel geschehen. Ich vertrete seit eh und je den Standpunkt, daß es dem unmittelbar Betroffenen überlassen bleiben muß, darüber zu entscheiden, wo er seinen Lebensabend verbringen will. Hiebei ist es eine unbestrittene« durch viele Umfragen und Statistiken erhärtete Tatsache, daß 95% der älteren Menschen den Lebensabend innerhalb der eigenen vier Wände, in der altvertrauten Umgebung verbringen wollen.

Es ist aber ebenso unbestritten, und darüber darf es keine Diskussion geben, daß diejenigen alten Menschen, die nicht mehr zu Hause bleiben können bzw. die einen Aufenthalt in einem Altenheim vorziehen, ein Recht darauf haben, in einem modernen Altenheim untergebracht werden zu können.

Wie ich eben sagte, geschieht auf diesem Gebiet viel: Neue, moderne Altenheime wachsen aus dem Boden, alte werden instandgesetzt und unter Aufwand gewaltiger finanzieller Mittel den Erfordernissen der heutigen Zeit angepaßt, öffentliche und pri

vate Mittel werden hiefür eingesetzt.

Und gerade dazu, was nämlich den Bau und die Führung von Altenheimen anbelangt, erscheinen mir einige Anmerkungen zweckmäßig und notwendig zu sein.

Immer wieder wenden sich Bewohner von Altenheimen mit Anregungen, aber auch mit manchen leider nicht unberechtigten Beschwerden an den österreichischen Seniorenbund. Eine immer wieder vorgebrachte Klage ist die folgende:

Warum vergessen die Architekten und die Bauherren, ob nun öffentliche oder private, so oft auf eine altersgerechte Planung und Bauausführung?

Um nur einige sogenannte Kleinigkeiten, die aber für den unmittelbar Betroffenen oft gar nicht solche Nebensächlichkeiten sind, zu erwähnen: Warum wird so häufig auf Geh- und Bewegungshilfen, auf gleitfreudige Haltevorrichtungen und darauf vergessen, daß Treppen mit Handläufen ausgestattet werden?

Oder ein weiteres, was schon wesentlich bedeutungsvoller ist: Warum werden nicht grundsätzlich für Ehepaare zwei getrennte, jedoch durch einen gemeinsamen Vorraum verbundene Zimmer vorgesehen? Warum auch werden noch immer so

viele Altenheime gebaut, ohne daß für Bad und WC in den Zimmern vorgesorgt wird?

Der Zug der Zeit geht eindeutig zur Qualität - das spüren alle jene Beherbergungsbetriebe, die noch immer Zimmer ohne Bad und ohne WC anbieten, von Jahr zu Jahr stärker. Es ist in keiner Weise einzusehen, warum von diesem Zug der Zeit nicht auch die Altenheime erfaßt werden sollten.

Ich höre hier schon den Einwand, daß dies in erster Linie eine Frage der preislichen Gestaltung ist. Aus vielen Gesprächen mit alten Menschen in Altenheimen weiß ich, daß der ältere Mensch durchaus bereit ist, einen angemessenen Preis dafür zu bezahlen, wenn er seinen Lebensabend in einem modernen Altenheim bei guter Verpflegung und vor allem bei ver

ständnisvoller Betreuung und insbesondere bei menschlicher Behandlung verbringen kann.

Was nun gerade diese ganz wesentlichen Voraussetzungen für einen zufriedenen Lebensabend anbelangt, mehren sich in letzter Zeit die Klagen und Beschwerden der älteren Menschen.

Es ist gar nichts dagegen einzuwenden,' wenn jemand, der für den Bau und für die Führung eines modernen Altenheimes beträchtliche Geldmittel zur Verfügung stellt, mit vollem Recht eine angemessene Verzinsung seines Kapitals erwartet. Dafür bringen die Senioren auch Verständnis auf. Es fehlt ihnen aber jedes Verständnis dann, wenn sie leider oft zu Recht das Gefühl haben müssen, daß das Gebotene zum verlangten

Preis in einem krassen Mißverhältnis steht.

Ich kenne so manche Altenheime in Österreich und darüber hinaus auch solche in verschiedenen Städten Europas. Der Unterschied zwischen Altenheimen da und dort, ja oft in der gleichen Stadt, ist leider oft allzu groß und daher der Unwille und berechtigte Beschwerden jener Senioren, die sich zu Recht als übervorteilt vorkommen, nur zu berechtigt.

Wenn heute so viel von Demokratisierung aller Lebensbereiche gesprochen wird, dann muß festgestellt werden, daß in vielen Altenheimen - seien es nun öffentliche oder private- ein Mitspracherecht der Heimbewohner völlig unbekannt ist.

Es müßte doch eigentlich eine ausgesprochene Selbstverständlichkeit sein, daß in Altenheimen die Maßnahmen der Heimleitungen mit den Bedürfnissen und mit den Wünschen der Heimbewohner in demokratischer Art und Weise abgestimmt werden. Nichts eignet sich dazu besser als ein demokratisch gewählter Heimbeirat. Davon ist jedoch in vielen Heimen nicht nur keine Rede, sondern es werden vielmehr in vielen Altenheimen die Bewohner nicht nur nach wie vor als Heiminsassen bezeichnet, sondern auch als solche behandelt.

Hier ist ein Gesinnungswandel notwendig. Es bedarf einer anderen Einstellung gegenüber dem älteren

Menschen .und insgesamt einer Klimaänderung. Ein Altenhgeim ist nun einmal keine Kaserne, ganz abgesehen davon, daß in Kasernen oft ein wesentlich demokratischerer Ton herrscht als in so manchen Altenheimen.

Immer wieder kommen alte Menschen zu uns, die uns erzählen, mit welch großen Hoffnungen sie in ein Altenheim gezogen seien und wie bitter enttäuscht sie infolge der ihnen zuteilgewordenen Behandlung nun seien, was für sie um so schmerzlicher und von weittragender Bedeutung sei, als ihnen der Weg zurück in die eigene Wohnung, die sie vor ihrer Übersiedlung in das Altenheim endgültig aufgegeben hätten, endgültig versperrt sei.

Niemand kann sich der Tatsache verschließen, daß es auf dem finanziellen Sektor Grenzen gibt, die nicht ohne weiteres überschritten werden können. Gerade der ältere Mensch bringt dafür durchaus Verständnis auf. Was ihm jedoch viel mehr bedeutet als eine noch so gute Unterbringung und Verpflegung, ist seine Anerkennung als vollwertiges Glied der menschlichen Gesellschaft. Dazu bedarf es keines finanziellen Aufwandes, sondern ein bißchen menschliches Verständnis, das sich unsere älteren Mitbürger führwahr verdient haben und für das sie besonders dankbar sind.

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