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Digital In Arbeit

Jugend ohne Hoffnung?

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Die Jugend sucht heute bei der Berufswahl vor allem zwei Dinge: Sicherheit und Erfolg, verbunden mit entsprechendem Einkommen und Prestige. Diese Aussage ist provokant übertrieben und verallgemeinert, aber die vielzitierte Leistungsgesellschaft stellt die wäg- und meßbaren Spitzenleistungen gegenüber den vielen nicht im Licht der Öffentlichkeit stehenden Tätigkeiten so sehr in den Vordergrund, daß es niemanden verwundern dürfte, wenn es allgemein so wäre.

Jedenfalls sieht es in der Wirklichkeit so aus, daß die Möglichkeiten, den echten (oder illusionistischen) Traumberuf zu ergreifen, immer geringer werden. Aber etwas wiegt noch viel schwerer: Es gibt immer mehr junge Menschen, die eine solide Ausbildung, ein Studium abgeschlossen haben, ohne den Arbeitsplatz zu finden, auf dem sie ihre Kenntnisse verwerten können. Hier entstehen Frustrationen und Fehlentwicklungen, nicht selten echte Tragödien. Das sind Probleme, mit denen auch reifere Menschen schwer fertig werden. Niemand habe heute mehr die Garantie, ein ganzes Arbeitsleben lang in seinem einmal erlernten Beruf bleiben zu können, sagt man dann leichthin; jeder müsse damit rechnen, sich umschulen zu lassen, vielleicht sogar mehrmals. Das kann, wenn es gelingt, eine Erweiterung der Lebenserfahrung und eine Bereicherung der Persönlichkeit mit sich bringen, aber mancher wird es nur schwer bewältigen. Nicht die schlechtesten Menschen suchen in ihrer Arbeit nicht nur den Lebensunterhalt, sondern auch einen wesentlichen Teil ihres Lebensinhaltes zu finden. Denn trotz zunehmender Freizeit und vielfältigsten Freizeitangebotes verbringen wir nach wie vor den größten Teil des Tages an der Arbeitsstätte.

Machen wir Älteren hier nicht auch vieles falsch, weil wir der Jugend die falschen Zielvorstellungen Vorleben (von Idealen sollte man gar nicht reden? Das Erfolgserlebnis um jeden Preis als einziger Lebenszweck; die Leistungsgesellschaft, die nur den anerkennt, der an sichtbar führender Stelle im Rampenlicht steht. Aber auch die noch immer bestehende Unterbewertung der Sozialarbeit, die „nur” im Dienste des Nächsten geschieht und doch in der überinstitutionalisierten Wohlfahrtsgesellschaft dringender denn je gebraucht wird; die stillen Mitarbeiter jedes Betriebes, ohne deren täglichen Einsatz nichts in unserem Leben funktionieren würde; auch die prestigemäßige Unterbewertung der „Nur-Hausfrau” - all das gehört irgendwie hierher.

Ist die Jugend ohne Hoffiiung, weil wir ihr zuwenig zeigen, wo Hoffnung eigentlich hinzielen müßte? Das gelingt uns so schwer, weil wir selbst verunsichert sind und nicht den Mut haben, uns das einzugestehen. Wir leben in einer in jedem Sinn des Wortes fragwürdigen Zeit, gerade der Christ spürt das - wird doch auch die Kirche heute so sehr von Erschütterungen und Spannungen geprüft (was übrigens seit 2000 Jahren ihr Schicksal ist). Das ist das Wesen der „spes contra spem”, der Hoffnung wider die Hoffnung. Die Leere und Nüchternheit des modernen Lebens, der Mangel an Sinnerfülltheit trifft uns alle. Um so mehr müßten wir Verständnis haben für die Hoffnungslosigkeit der Jugend, die oft gar kein Nihilismus, sondern nur eine große Traurigkeit ist. Richtige Hoffnung muß frei sein von Illusionen, sonst kann sie nicht bestehen. Das hat nichts mit Weltflucht zu tun.

Solche Überlegungen entheben die Gesellschaft (und das sind wir schließlich alle) nicht der Notwendigkeit, die Entwicklung des Arbeitsmarktes gerade für die Jugendlichen mit größter Aufmerksaihkeit zu betrachten, nichts zu verharmlosen. Jeder einzelne junge Mensch, der nicht auf seinen richtigen Platz im Berufsleben findet, ist „ein Fall” zuviel, ist ein Schicksal, das uns alle angeht.

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