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Konzerte

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Er ist einer der kompromißlosesten Pianisten, die ich kenne. Alles ist bei ihm Verdichtung, strenge Organisation: Das zeichnet Alfred Brendels Spiel aus. Das bedeutet aber auch für den Hörer ungewöhnliche Konzentration, wenn er Brendels analytischer Spielweise wirklich folgen wilL Denn dieser Pianist verwöhnt sein Publikum niemals. Nicht durch Bravour, nicht durch blankpolierte Oberfläche der Stücke, nicht durch effektvolle Darstellung. Wenn er - wie dieser Tage im Wiener Musik- verein - Beethovens Sonaten Opus 109, 110 und 111 interpretiert, so gleichen diese Wiedergaben atmenden Gebilden. Dichten Geflechten, in denen die thematischen und motivischen Verästelungen und Ausläufer überall spürbar bleiben, wo Zonen der Ballung und-des Verlöschens auf ihre Verwandtschaft geprüft werden. Brendel gestaltet Klangbereiche von höchster Intensität und Strahlungskraft. Und er versucht stets den Abschnitten dieser Großformen unverwechselbare Proportionen zu geben, sie durch minuziös nachvollzogene Details bis in die Höhen- und Tiefenzonen auszuloten. Was mich von seinen Wiedergaben am meisten beeindruckte, war die Arietta der c-Moll-Sonate: ein Versuch, entschlackte Klarheit in die > Entleerung voranzutreiben … Das blieb im Gedächtnis unauslöschlich haften. R. W.

Wenn ein Geiger mit einem internationalen Ruf im Brahms-Saal Sonaten spielt, berührt das sympathisch: Die Berühmtheiten ziehen im allgemeinen den finanziell lukrativeren Großen Saal vor. Das Publikum brachte für Leonid Kogan jedenfalls ein gerüttelt Maß an Begeisterung mit; sicherlich gehörte hiezu auch die Anerkennung für bedeutende Schallplattenproduktionen, gehörte dazu einfach die menschliche Anerkennung für die künstlerische Lebensarbeit des 53jährigen Ukrainers. Ebenso sympathisch war, daß der sowjetische Geigerstar von seiner Tochter Nina Kogan begleitet wurde: akkurat, aber ohne hervorstechende pianistische Tugenden außer der einen, allgemein musikalischen, daß die beiden Künstler (natürlich) gut „zusammengespielt” waren. Damit sind aber leider alle Positiva aufgezählt. Offensichtlich hatte Kogan diesmal einen ganz schlechten Tag, denn es gab nicht nur Seltsamkeiten im Musikalischen, wie eine sehr langsame, sehr leise, wiewohl auch sehr klare, im großen und ganzen aber langweilige und unangemessene Interpretation der d-Moll-Sonate von Brahms oder eine bedeutungsvoll zerdehnte E-Dur-Sonate von Händel, sondern es stimmte ganz offensichtlich einiges mit der Technik nicht, eine Tatsache, die eigentlich verblüffte: deutlich hörbare, weü etwas verschmierte Lagenwechsel, unsichere Griffe in der „Kreuzersonate” von Beethoven und immer wieder eigentlich in Anbetracht seiner herrlichen „Guameri del Gesü” recht grelle, rauhe Töne namentlich ‘auf der E-Saite. Selbst „Tzigane” von Ravel blieb dergestalt ohne Faszination.

Eine nicht ganz so große Enttäuschung gab es im Musikverein mit dem polnischen Mozart-Spezialisten Jerzy Semkow, denn dazu war seine Interpretation der A-Dur- Symphonie, KV 201, einfach zu perfekt: voll innerer Spannung, mit beweglicher Eleganz und instrumentaler Virtuosität namentlich in den Geigen, also eine Leistung, auf die auch das ORF-Symphonieorchester stolz sein konnte. Die Messe c-Moll hingegen fiel bei weitem nicht so hinreißend aus. Der Klang war „dick”, der riesige Chor der Singakademie wirkte nicht so, als hätte man eingehend mit ihm geprobt, von den Gesangssolisten (Krisztina Laki, Christine Weidin- ger, Adalbert Klaus und Emst G. Schramm) gefiel eigentlich nur Christine Weidinger: Ihr schöner lyrischer Sopran war sicher geführt eingesetzt.

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