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Konzerte

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Von den Pianisten der mittleren Generation ist Maurizio Pollini der wichtigste und interessanteste. Und es gibt auch genug Musikliebhaber in Wien, die sich durch Unbekanntes und Neuestes nicht ab- schrecken lassen, denn der Große Konzerthaussaal samt Podium war bis auf den letzten Platz gefüllt. Als kompetenter Beethoven-Interpret bewährte sich Pollini auch diesmal, und zwar an schwierigsten Werken, den Sonaten e-Moll, op. 90, deren gegensätzliche Teile man als Porträts auffassen kann, und in der großen, ebenfalls zu einer zweiteiligen Form tendierenden Sonate E-Dur, op. 109. Eine echte Neuheit und Überraschung: vier kurze, insgesamt 20 Minuten dauernde Klavierstücke aus den letzten Lebensjahren Franz Liszts: „Graue Wolken“, „Unstern“, „La lugubre Gondola“ und „Richard Wagner - Venezia“: so kühn und zukunftsweisend, so bar jeder virtuosen Geste, daß Liszt sie zu seinen Lebzeiten nicht vorzuführen wagte. Aber Pollini wagt es, sie nach der Pause und vor einer Erstaufführung aufs Programm zu setzen: Luigi Nonos „Sofferte Onde Serene“ für Klavier und Tonband, erst im Vorjahr entstanden und dem Freund Pollini gewidmet. Im Ganzen: keine Änderung des Stiles, wie wir ihn seit den „Variazione ca- noniche“ von 1950 oder der 1960 ur- aufgeführten Oper „Intolleranza“ kennen, nahe verwandt mit dem zuletzt im Konzerthaus uraufgeführ- ten Werk „Wie eine Woge aus Kraft und Licht“ mit seinen allmählichen Übergängen von Dynamik zur Statik, Sinnbilder des Meeres und des organischen Lebens. Nono erfüllt das alles mit intensivem Ausdruck: „Wichtig ist es vor allem, die neue Gefühlskraft zu wecken, die allein die Neue Musikzum Leben bringen kann.“ Ein gleichzeitig laufendes Tonband suggerierte ein zweites Klavier, nicht ohne manchmal ein wenig Verwirrung zu stiften. Doch vielleicht kam es Pollini gerade auch auf dieses Schwebende und wie Zauberei Wirkende an. „Incantatio“ nannten die Römer diese Möglitrbkeit der Kunst.’Als Zugäbe spielte Pollini - was es wohl noch nie in einem Wiener Konzertsaal gegeben hat - ein Werk Schönbergs, und zwar eines der drei Klavierstücke aus Op. 11. Und danach noch einmal das ganze erstaufge- führte Stück Nonos, das sowohl an den Pianisten wie an die Aufmerksamkeit der Hörer die höchsten Anforderungen stellt. H. F.

Lorin Maazel und die Wiener Philharmoniker traten zur Sonntagsmatinee im Konzerthaus mit einem Orchesterfurioso an. Maazel, der entfesselte Hexenmeister, turnt auf dem Podest herum, beschwört seine Musiker, heizt ihnen ein, daß es dampft, und gebärdet sich unglaublich aggressiv. Tschaikows- kys Suite Nummer 3 und Mozarts Haffher-Symphonie knallen dementsprechend hochdramatisch. Das Ereignis der Matinee war allerdings der junge Cello-Virtuose Lynn Harrell. Ein Junge in Jim- my-Carter-Verpackung. Mit erfolgsgewohnter Bravour spielt er die Rokoko-Variationen von Tschaikowsky, behutsam setzt er Glanzlichter und schwelgt in sentimentalen Farben. Maazel wetteiferte mit ihm. Begeisterungsstürme.

R. W.

Der junge russische Geiger Wladimir Spiwakow ist bereits ein Liebling des Wiener Konzerthaus- Publikums. Mit einem Sonatenabend brachte er sich im Rahmen der Festwochen erneut in Erinnerung, und zwar vor allem als blendender Techniker. Paganinis Variationen „Le streghe“ über eine Melodie aus dem Ballett „II noce di Benevento“ des Mozart-Schülers Süssmayr bestätigten ihn als einen der neuen großen Hexenmeister auf der Geige. Sonaten von Beethoven (op. 96) und Bartök (zweite) hingegen fielen zu kühl und intellektuell, Bachs berühmte d-Moll-Chaconne zu eigenwillig aus. Begleiter Boris Bechterew war hervorragend.

HERBERT MÜLLER

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