7208997-1992_23_17.jpg
Digital In Arbeit

Kunst und Leben hinter Klostermauern

19451960198020002020

Brixen - Das Kloster Neustift bei Brixen feiert seinen 850. Geburtstag. Aus diesem Anlaß stellt das Stift eine umfassende historische Ausstellung auf die Beine, die einen interessanten und zum Teil auch unbekannten Querschnitt durch die wechselvolle Geschichte des Südtiroler Klosters vermittelt. Erwartet werden an die 100.000 Besucher.

19451960198020002020

Brixen - Das Kloster Neustift bei Brixen feiert seinen 850. Geburtstag. Aus diesem Anlaß stellt das Stift eine umfassende historische Ausstellung auf die Beine, die einen interessanten und zum Teil auch unbekannten Querschnitt durch die wechselvolle Geschichte des Südtiroler Klosters vermittelt. Erwartet werden an die 100.000 Besucher.

Werbung
Werbung
Werbung

Historisch ist nicht nur der Anlaß, historisch ist auch die Initiative des Klosters. Mit der „I. Südtiroler Landesausstellung" von Ende Mai bis Ende Oktober (und möglicherweise noch ein bißchen darüber hinaus) bietet das Chorherrenstift erstmals Einblick in das Geschehen hinter den Klostermauern. An Besonderheiten fehlt es dabei nicht.

Auf einer Ausstellungsfläche von rund 1.600 Quadratmetern sind so erlesene Exponate wie etwa ein Brief von Kaiser Barbarossa aus dem Jahr 1157 zu sehen. Darin bestätigt der Staufer seinen Schutz für das junge Stift. Daneben zeigt die Neustifter Ausstellung ein Schreiben von Papst Innozenz II., in dem 1143 die Klostergründung bestätigt wird.

Die vielen Werke mußten zum Teil unter erheblichen Schwierigkeiten nach Brixen gebracht werden. So manches andere aus dem Besitz der Chorherren liegt allerdings nach wie vor unerreichbar in Archiven und Museen außerhalb Südtirols, so etwa in Innsbruck oder in München.

Treibende Kraft der Ausstellung ist Abt Chrysostomus Giner. „Wir wollten mit dieser Initiative zweierlei erreichen", sagt er. „Zum einen das Zusammengehörigkeitsgefühl und das historische Bewußtsein unserer Gemeinschaft stärken, zum anderen all jenen Menschen die Klostertore öffnen, die normalerweise keine Gelegenheit haben, sich aus eigener Anschauung ein Bild zu machen vom Leben der Klosterbrüder." Selbstdarstellung also im durchaus positiven Wortsinne.

Dem Abt und den Mitorganisatoren geht es daher auch nicht nur um die reine Ausstellung allein, wenngleich sie das Herzstück des 850-Jahr-Jubi-läums darstellt. Vielmehr soll dem Besucher ein Gesamteindruck von Geschichte, Klosteranlage und Klosterleben vermittelt werden, indem ihm praktisch alle Türen offenstehen.

Größte Klosteranlage Tirols

So erhält der Besucher Gelegenheit, viele der kunsthistorischen Sehenswürdigkeiten dieser größten Klosteranlage Gesamttirols zu erleben: Die spätbarocke Stiftskirche, den gotischen Kreuzgang, die romanische „Engelsburg", den Wunderbrunnen. Einer der Höhepunkte dieser Initiative ist sicherlich ein Gang durch die berühmte Barock-Bibliothek, in der nicht weniger als 76.000 Bücher stehen; sie ist harmonisch in die Gesamtausstellung eingebunden.

Darüber hinaus öffnen sich auch viele jener Türen des Klosters für die Öffentlichkeit, die ansonsten verschlossen bleiben.

„Wir rechnen mit mindestens 80.000 Besuchern", sagt Abt Giner. Ein bißchen schwingt darin natürlich auch Optimismus und Wunschdenken mit: „Die Besuchereinnahmen sind nämlich eine äußerst wichtige Finanzquelle für uns." Die Schätzung dürfte aber trotz allem relativ realistisch sein. Die Kosten für die Ausstellung sind in der Tat hoch: rund zwölf Millionen Schilling. Einen gewissen Teil will das Kloster beisteuern, rund die Hälfte dürfte das Land Südtirol übernehmen, und der Rest muß aus den Besuchereinnahmen finanziert werden.

In den letzten Wochen und Monaten waren die Räume von Kloster Neustift den ganzen Tag über von Lärm erfüllt: Die Handwerker bereiteten die historische Ausstellung vor. Räume wurden neu ausgemalt, Dek-ken restauriert, Bilderwände gezimmert und viele Meter Lichtkabel verlegt. „Dadurch", so klagt Abt Chrysostomus Giner, „haben wir die Voraussetzung geschaffen für die vielen Exponate, die wir hier aus allen von uns betreuten Pfarreien zusammengetragen haben." Gar einiges Sehenswerte stammt aber auch einfach aus dem klostereigenen Bestand. Aus der reichhaltigen Gemäldesammlung von Neustift sind Tafelbilder aus der früheren Pinakothek zu sehen sowie Werke einheimischer Meister des 17. und 18. Jahrhunderts.

Und weil in Neustift kein Geringerer als der große Minnesänger Oswald von Wolkenstein begraben liegt, bietet die Ausstellung auch einen Einblick in die alte Liedkultur und würdigt gleichzeitig den spätmittelalterlichen Sänger.

Heute betreuen die Augustiner Chorherren noch immer rund 20 Pfarreien in Südtirol. Die Seelsorge ist ein wichtiger Teil des Selbstverständnisses der Klosterbrüder. Wer an dieser Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte interessiert ist, für den bietet die Ausstellung auch so manches an Information und Aufklärung. Wie hat sich das Klosterleben entwickelt, wie war der Weg beschaffen von der alten Buchschreiberkunst bis herauf zum modernen Bildungsshaus Neustift? Auch diese Frage bleibt nicht unbeantwortet.

Die „I. Südtiroler Landesausstellung" ist also nicht nur trockene Historie, sondern lebendige Tradition, nacherzähltes Leben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung