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Lehrlingsfrenndlich

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Was sollen die Absolventen „dürfen”, wenn sie nach drei Jahren Handelsschule, nach fünf Jahren Handelsakademie in den Beruf treten wollen? Nach - ausgehandelter - Ansicht von Unterrichts- wie Wirtschaftsministerium sollen sie sich dann „Großhandelskaufmann” und „Industriekaufmann” nennen dürfen, außerdem auch „Bürokaufmann” oder „Einzelhandelskaufmann” - dies aber nur dann, wenn sie zwei zusätzliche Freigegenstände gehört haben.

Auf diese Version einigten sich beide Ministerien schon vor Jahresschluß -gegen die Vorstellungen der Schüler und ihrer Vertreter, die nun kürzlich auf dem Minoritenplatz aufmarschierten, zur angeblich größten Schülerdemonstration der Zweiten Republik.

Die Neuregelung war fällig geworden, seit 1988 neue Lehrpläne für die 13.000 Schüler an 120 Handelsschulen und die 36.000 Fre-quentanten der 114 Handelsakademien beschlossen worden waren, die ab 1991 in Kraft treten sollten. Inzwischen wurde der Start der „neuen Handelsschule” auf 1992 verschoben, sodaß erste Absolventen erst im Sommer 1995 aufscheinen werden.

Für die auslaufenden Jahrgänge der „alten” Handelsschule aber mußten Übergangsbestimmungen geschaffen werden, um auch sie schon in die sich ständig verändernden Berufsbilder einzubinden. (Auch in der Vergangenheit war es immer wieder nötig gewesen, die Berufsberechtigungen der berufsbildenden Schulen neuesten Erfordernissen anzupassen.)

So sollte nur noch die Abschlußklasse von 1991 unverändert auslaufen und auch alle fünf bisherigen Berufsberechtigungen einschließlich des inzwischen ein vernehmlich gestrichenen „Spediteurs” erhalten. Die Jüngeren, die erst bis 1995 zum Abschluß kämen, sollten zusätzlich als Freigegenstände „Warenkunde” sowie „Verkaufskunde und Werbetechnik” belegen, um dann über die ganze Palette der Berufsberechtigungen verfügen zu können.

Die „neue Handelsschule”, die 1992 anlaufen soll, wird dann einen Katalog von Wahl-Pflichtfächern enthalten, über deren Einzelheiten erst verhandelt werden muß, ferner ein Praktikum und eine Abschlußprüfung.

Die Handelsakademien haben etwas mehr Zeit, sich zu adaptieren. Sie bieten neben der Berufs- auch die Hochschulberechtigung und dauern daher zwei Jahre länger als die Handelsschulen, ein Jahr länger als die Gymnasien.

Für ihre Schüler werden nun in der dritten und vierten Klasse je zwei Wochenstunden Freigegenstände verlangt, um für alle einschlägigen Berufe gerüstet zu sein.

Die Schülervertreter forderten nun, daß bis 1994 alle fünf bisherigen Berufsberechtigungen erhalten bleiben oder zum mindesten auf die Freigegenständwer-zichtet werden sollte. Sie befürchten, es könnte allgemeine Tendenz sein, den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen die Berufsberechtigungen wegzunehmen. Sie vermuten die Absicht der Wirtschaft dahinter, der Lehrlingsausbildung, die heute im Schatten der Fachschulen steht, noch mehr Attraktivität zu verleihen.

Minister Rudolf Schölten, der auch für die Lehrpläne der Berufsschulen im Rahmen der Lehrlingsausbildung auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft angewiesen ist, konnte dabei den Schülervertretern versichern, daß an keine weitere Schmälerung des Berechtigungskatalogs gedacht sei.

Die Übergangsbestimmungen wie die Regelungen für den kommenden neuen Lehrplan werden jedenfalls, nachdem sie einmal vereinbart sind, nicht mehr verändert.

Vielleicht aber wäre für die weitere Vorgangsweise eine intensivere Information der Beteiligten zu empfehlen, um überflüssige Konflikte von vorneherein zu vermeiden und auftretende Notwendigkeiten auch allgemein verständlich zu machen.

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