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Mumie des „Vater Palme" wurde nun freigelegt

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Seit 1987 gräbt ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Helmut Buschhausen vom Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Wiener Universität in der asketischen Landschaft der Libyschen Wüste.

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Seit 1987 gräbt ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Helmut Buschhausen vom Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Wiener Universität in der asketischen Landschaft der Libyschen Wüste.

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Es versucht, eines der ältesten Klöster des christlichen Ägypten zumindest teilweise freizulegen. Heuer gelang es Buschhausen, nicht nur durch Eindeckung der Wüstenkirche das südlich der Provinzhauptstadt Mine in Mittelägypten gelegene Kloster mit Namen Abu Fano wieder zu revitalisieren. Buschhausen entdeckte auch den einbalsamierten Leichnam des ältesten Heiligen des Landes: des hoch verehrten Apa Bane.

Ob der Heilige der ägyptischen christlichen Nationalkirche (der Koptischen Kirche), an deren Spitze der Patriarch von Alexandria steht, tatsächlich so hieß, oder ob ihm seine Zeitgenossen diesen Beinamen gegeben haben, ist unbekannt. Auf Deutsch bedeutet „Bane" jedenfalls „Palme", und im Volksmund wird die Bechte-rew'sche Krankheit (eine Verwachsung und Versteifung der Wirbelsäule) als Palmenkrankheit bezeichnet. Über Vater (Apa) Palme berichtet jedenfalls eine Lebensbeschreibung, der Heilige stamme aus einem begüterten Haus aus Memphis in Unterägypten und sei um 370 in ein Kloster eingetreten. 18 Jahre seines Lebens habe der Vater in einer finsteren Höhle verbracht, beständig auf seinen Füßen stehend. Selbst die Mahlzeiten habe der Heilige stehend zu sich genommen und sich zum Schlaf über eine eigens dafür errichtete Mauer gelehnt.

Kurz vor seinem Tod im Alter von 40 Jahren hatte Apa Bane eine Vision über den Tod des römischen Kaisers Theodosius, der 381 im Rahmen des Zweiten Ökumenischen Konzils in Konstantinopel die katholische Lehre zur Staatsreligion erhoben und 391/ 92 alle heidnischen Kulte verboten hatte. Damit wurde das schon durch den Evangelisten Markus missionierte Ägypten zum ersten vollständig christianisierten Land der Erde.

Am Grab des Heiligen sollen sich gemäß dieser Lebensbeschreibung alsbald Wunder gezeigt haben, sodaß es zwecks Abhaltung einer weitläufigen Totenliturgie die schwarzgewan-deten Mönche vor400 ausbauten. Auf einem Hügel unweit von Apa Banes Grab entstand 500 eine große Pilgerkirche. Laut al-Maqrizil, einem arabischen Historiker um 1400, bewohnten bis zu 1.000 Mönche das Kloster. Die Kirche stand bis 1717 aufrecht, stürzte noch vor 1821 teilweise ein und verfiel wie die übrige, sich auf sechs Hektar ausdehnende Klosteranlage: Ein Schicksal, das Abu Fano mit den meisten ägyptischen Klöstern teilt, auch wenn sie allesamt in Aufbau und Struktur Ur- und Vorbild für das abendländische Einsiedler- und Mönchstum gewesen sind.

Mit Unterstützung des Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung und des Wissenschaftsministeriums arbeitet Buschhausen seit 1987 in dem „vom Winde verwehten" Klosterbezirk. Heuer legte er im Zentrum der Grabeskirche eine 1,70 Meter große, in Linnen und Purpurstoff gehüllte Mumie frei, die, umgeben von weniger kostbar gekleideten Wüstenvätern, bei Luftzutritt sofort verfiel. Anthropologische und paläomedizinische Untersuchungen des Skeletts haben ergeben, daß die Wirbelsäule des Toten krankhafte Veränderungen im Sinne der Bechterew'sehen Krankheit aufweist. Deutlich erkennbar ist eine Spangenbildung bei den miteinander verwachsenen Wirbeln und ein Schwund der Bandscheiben.

„Die Versteifung des Rückgrates", kommentiert der Byzantinist aus Wien, „war so weit fortgeschritten, daß der Heilige nicht mehr aus eigener Kraft hätte aufstehen können, wenn er einmal zu Fall gekommen wäre." Die Übereinstimmung des Knochenbefundes mit der bald nach dessen Tod verfaßten Lebensbeschreibung identifizieren den Fund eindeutig als Apa Bane.

Jetzt liegt Apa Bane wieder in seinem Grab. Und in der ihm zu Ehren erbauten und dank einer großzügigen Hilfsaktion von Kardinal Hans Hermann Groer und der Österreichischen Bischofskonferenz restaurierten Kirche abseits der Siedlungen entlang des Nils wird an jedem Freitag nach koptischem Ritus eine Messe gefeiert. Der Ritus hat sich seit dem sechsten Jahrhundert kaum gewandelt. Ein jeweils aus den Gemeinden der Diözese von Hermopolis und Antinoepo-lis in Mallawi in Mittelägypten abgestellter Priester singt, begleitet von Chorsängern die Gebete in koptischer (saidischer) Sprache, die in arabisch wiederholt werden. Dazu wird Musik mit Triangeln und Zimbeln gespielt.

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