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Mutternacht!

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Jedes Jahr dasselbe: beginnend mit den letzten Apriltagen machen einschlägige Geschäfte Geschäfte in Mutter. Zu eben dieser Zeit lassen auch Mutter wie Schwiegermutter in ganz ähnlich klingenden Kommuniques verlauten, sie brauchten nichts und seien überhaupt an derartigem Blödsinn nicht interessiert.

Sollte ich bis dahin noch nicht durch versperrte Kinderkästen, frische Farbspritzer an den Tapeten sowie hastigem Geraschel und Getuschel der eigenen Kleinen alarmiert worden sein, ab sofort ist der posthumen Public Relations-Welle der Dame Jarvis nicht mehr zu entkommen.

Es gibt kaum einen Wirtschaftszweig, der es nicht verstünde, sich auch sein Schnittchen von dieser Art „Mutterkuchen” abzuschneiden: Omi lächelt, gerührt vom neuen Teigrührer, Mutti jault über einen flüsternden Staubsauger, Schwiegermutter wird dank des milden Nervenbalsams noch öfter zu Besuch kommen.

Also habe auch ich Pflichten, die meinen nicht zu unterdrük-kenden Gerechtigkeitssinn Jahr für Jahr vor die gleichen Probleme stellen: die Suche nach ungefähr gleichwertigen Geschenken für Mutter und Schwiegermutter, für welche keine Verwendung ist; die Durchführung der Trilokation an besagtem 2. Sonntag im Wonnemonat Mai, denn Papaoma, Mamaoma und meine Familie wohnen jeweils 150 Kilometer voneinander entfernt, und von jeder wird bei jeder Anwesenheit des Festobjekts gefordert.

Also stelle ich dem knurrenden Mann und Ebenfallssohn ein präzises Muttertiming vor, um auch alle Mutterfreuden bewältigen zu können.

Früh am Muttermorgen habe ich strikten Bettarrest, denn meine lieben Kleinen planen, mir das Frühstück übers Leintuch zu schütten. Ich habe bloß glücklich zu lächeln und tu's auch gerne, denn im letzten Jahr plätscherte lediglich das Blumenvasenwasser anstatt des Kaffees auf die Matratze.

Höhepunkt des morgendlichen Festaktes sind auf jeden Fall das Uberreichen bunter, ausgeschnittener Papierherzchen und das Deklamieren des jährlich neu abgewandelten Muttertagsgedichtes mit nervös bedingtem Hosennahtkratzen. Daß ich im geheimen das Fräulein Lehrerin für ihre wochenlange Vorarbeit ehrlich bewundere, darf sie mir (wirklich) glauben!

Doch kaum sind die Bussis ver-

Kraftprotz schmatzt, beginnt das schwierige Unternehmen der Muttiomafahrt über besagte Distanz von 150 Kilometer, wobei das Mittagessen für fünf Personen tiefgekühlt mitgenommen wird, denn von Lokalbesuchen an diesem Tag sind wir in aller Interesse abgekommen, und Kochen entspräche nicht dem fernsehgeforderten Bild ruhender Mutterhände.

Etwas steif nach Uberstehen einiger Mutterstaus folgen flotte Auftauprozeduren, hastiges Schlingen des Festmenüs, dann Uberreichen der Präsente, Küß-chen, Aufsagen der Hosennahtkratzgedichte, omige Rührung,

(Karikatur Claude Serre) weitere Küßchen und schließlich die eilige Weiterfahrt zur Papi-oma.

Einnahme des festlichen Nachmittagskaffees, Uberreichen der Präsente, Küßchen, Hosennahtkratzgedichte, Rührung, weitere Küßchen wie gehabt.

Papiomatorte war nicht tiefgekühlt und hatte daher im Laufe der letzten 150 Kilometer einen etwas leidenden Zug auf der cremigen Oberfläche bekommen, was aber von Papioma als Toleranz zum Tage zumindest nach außen kommentarlos übergangen wurde.

Auch jeder Ehrentag kommt -Gott sei Dank! — zu einem ehrenvollen Ende. Wenn die erschöpften Kleinen in den Bettchen liegen, geht Mutterstreß endlich in wohlverdiente Ruhe über. Irgendwann tapscht dann der Kleinste unter die Decke: „Jetzt ist Mutternacht, gell?”

Die Amerikanerin Ann Jarvis propagierte 1907 den zweiten Sonntag im Mai zum Festtag zu Ehren der Mütter. 1914 erklärte der amerikanische Kongreß diesen Tag sogar zum Staatsfeiertag. Eine „Internationale Muttertagsgesellschaft” und die Heilsarmee verbreiteten die Muttertagsidee bald weltweit

Zu guter Let%t

Bankschreiben: „Wann werden Sie endlich Ihre Schuld bezahlen?'

Antwort des Schuldners: ,Jch bin kein Prophet!”

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