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Noten abschaffen?

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Eine der Klippen, die Schüler und Eltern gleicherweise und regelmäßig in Unruhe versetzen, sind „die Noten“. Gewiß — die Leistungskontrolle ist nur ein Teil des schulischen Lebens, berührt aber die Betroffenen aus naheliegenden Gründen mehr als etwa ein fehlender Physiksaal oder ein nur mangelhaft ausgebildeter Lehrer.

„Leistung“, „Leistungskontrolle“, „Leistungsdruck“ sind ohnedies Vokabel, die man heute ungern hört, und auch. in anderen Bereichen (etwa auf den Hochschulen) erhebt sich immer wieder der Ruf nach Abschaffung der heute geübten Art der Leistungskontrolle. Wie Beispiele zeigen, ist hier die Gefahr, das Kind mit dem Bade auszugießen, besonders groß. Weiterhelfen kann in diesem Problemkreis nur ein nüchternes und emotionsloses Durchdenken. Die Junge ÖVP Niederösterreich beschäftigt sich derzeit mit der Beurteilung der Leistung in unseren Schulen, wobei die Ergebnisse der Arbeit einer aus jungen Lehrern zusammengesetzten Projektgruppe demnächst in Form einer Enquete der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen.

Nicht Abschaffung, sondern effiziente Handhabung einer zeitgemäßen Leistungskontrolle wird verlangt, wobei vom Sollzustand ausgegangen wird: „Die Leistungskon trolle soll ein Hilfsmittel des Lehr-und Lerngeschehens sein, also für Lehrer und Schüler da sein; sie darf weder Selbstzweck noch Druckmittel sein.“

Für den Bezugspunkt „Schüler“ kann Leistungsmessung nur dann sinnvoll sein, wenn ihm die Note neben der Bescheinigung der Qualifikation für das Berufeleben auch Informationen über sein Leistungsvermögen gibt. Weiter soll die „Benotung“ Hinweise geben, um bestimmte Leistungsschwächen zu beheben. In diesem Zusammenhang wird es jedoch notwendig sein, den Schüler zu Selbständigkeit und (Selbst-) Kritikfähigkeit zu erziehen, sonst bleibt das Streben nach einer guten Zensur Selbstzweck.

„Daß die Leistungskontrolle für den Lehrer als Information über den Leistungsstandard des einzelnen und der Klasse unerläßlich ist, ist unbestritten.“ Der Entwurf der Jungen ÖVP Niederösterreich führt weiter aus, daß das derzeit praktizierte System kaum einen Vergleich über die Klasse hinaus erlaubt. Ein zweckmäßiges Kontrollsystem muß dem Lehrer auch eine Kontrolle seiner eigenen Lehrleistung vermitteln.

Das Recht der Gesellschaft, Leistungsnormen vorzuschreiben und deren Erreichung zu überprüfen, wurde nicht nur in der theoretischen Diskussion in Frage gestellt. Ansätze in der Schulreform (Abschaffung der Aufnahmeprüfung, Nivellie-rungstendenzen gewisser Gesamtschulmodelle usw.) zeigen deutlich einen leistungsfeindlichen Trend. Anderseits muß man von der Gesellschaft verlangen, daß sie ihre Leistungsnormen so setzt, daß sie dem einzelnen nützen; Leistungskon trolle also als Information für Lehrer und Schüler, die eine Diagnose zur Behebung von Fehlleistungen darstellt und zu besseren Leistungen anspornt.

Anforderungen, die unsere derzeitige Handhabung zweifellos nicht erfüllt; aus diesem Grunde jedoch eine Abschaffung der Leistungskontrolle zu verlangen, erscheint grotesk. Inwieweit annähernd objektive Leistungsnormen gefunden werden können, die auch subjektive Präferenzen des Lehrers unmöglich machen, wird die weitere Diskussion zeigen. Eine Aufgabe, die sicherlich nicht so spektakulär ist wie Gesamtschulexperimente, aber bei vordringlicher Behandlung bereits eine wesentliche Verbesserung unseres derzeitigen Schulsystems bringen könnte.

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