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Digital In Arbeit

Ressel-Sprünge

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Der Wahlkampf treibt ob- skure Blüten. Dazu zählt Hans-Joachim Ressels Idee, künftig den Arbeiterkammer- beitrag vom Arbeitgeber abzukassieren.

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Der Wahlkampf treibt ob- skure Blüten. Dazu zählt Hans-Joachim Ressels Idee, künftig den Arbeiterkammer- beitrag vom Arbeitgeber abzukassieren.

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Unsicherheit, Hektik und man- gelnde Orientierung in der Vor- wahlzeit haben den Österreichern bereits einige sehr unausgereif te so- genannte „Reformvorschläge" be- schert. Sie verdienen meist nicht, ernstgenommen zu werden und schaden der jeweiligen Sache si- cher mehr, als sie nützen

Den Vogel hat aber bei Ausübung dieser verwirrenden Polit-Übungen zweifellos der kommende steirische ÖGB-Chef und Abgeordnete Hans- Joachim Ressel abgeschossen. Er schlug neulich gegenüber einer großen Tageszeitung vor, der Ar-

beiterkammer-Beitrag sollte künf- tig nicht mehr von den Mitglieder, sondern von den Betrieben bezahlt werden, da ohnedies „Kapital und Arbeit zusammen den Erfolg eines Unternehmens erbringen".

Bei erster Betrachtung dieser Idee ist man zunächst von der plumpen Dreistigkeit überrascht, mit der das entstandene Ärgernis über die Arbeiterkammern beseitigt werden soll. Kein Werktätiger brauchte sich also mehr zu argen, wenn „seine" Gelder für Zwecke verwendet wer- den, die schwer zu billigen sind. Es zahlten dann ja ohnedies nicht mehr die arbeitenden Menschen, sondern der (ehemalige?) Klassengegner müßte sich seinen Widerpart ge- fälligst selbst finanzieren.

„Wer zahlt, schafft an", sagt der Volksmund. Selbst wenn es gelän- ge, dieser wohl zu Recht angenom-

menen Tatsache bei wirtschaftsfi- nanzierten Arbeiterkammern zu entgehen, müßte man sich fragen, wie es um die Arbeitnehmerschaft in unserem Lande stünde, wenn sie sich nicht einmal mehr eine finan- ziell eigenständige Organisation leisten könnte. Ein absurder Schritt, alles zu tun, daß Arbeiterkammern nur ja nicht mehr die eigene Ange- legenheit der unselbständig Er- werbstätigen sind!

Ressels Irrtum geht aber noch viel weiter - und das scheint er offen- bar nicht einmal zu erahnen. Eine solche von den Betrieben, also allen Arbeitgebern zu bezahlende Umla- ge sollte offenbar - so wie bisher - von der Lohnsumme bemessen werden. Sie würde also eine Abga- be darstellen, die anläßlich der Entgeltzahlung fällig und zusätz-

lich zu Lohn und Gehalt an die In- teressenvertretung abgeführt wird.

Da heute schon jedes Kind weiß, daß solche Beträge als Lohnkosten kalkuliert werden, folgt zwingend, daß es sich bei derartigen Zahlun- gen um Aufwendungen handelt, die der Arbeitgeber zwar für den Ar- beitnehmer erwirtschaften muß, ihm aber nicht auszahlen darf. Was logischerweise bedeutet, daß sich die Arbeiter und Angestellten ihre Kammer erst recht wieder selbst finanzierenmüßten, aber dann eben auf „unsichtbare" Weise.

Eine solche Vorgangsweise wür- de nicht nur jener „Transparenz" Hohn sprechen, die einmal ein be- rühmter Parteifreund Ressels for- derte, sondern müßte als schlicht und einfach unaufrichtig und nur dem Ziel dienend angesehen wer- den, die Dinge zuverschleiern. Wer nicht weiß, daß er zahlt, von dem ist zu hoffen, daß er nicht zahlt, von dem ist zu hoffen, daß er sich über Mißbrauch nicht ärgert.

Es gäbe freilich noch eine andere denkbare Variante der Realisierung des Ressel-Vorschlages. Man könn- te nämlich die Kammerumlage von den Löhnen sozusagen ganz lösen und sie etwa - wie die von Franz Vranitzky mittlerweile sanft gekill- te Wertschöpfungsabgabe - nach

betrieblichen Erfolgsdaten bemes- sen. Dann wäre sie freilich im Ef- fekt eine neue Betriebssteuer, die für die Tragung des Aufwandes der Arbeitnehmervertretung zweckge- widmet wäre. Bedenkt der künftige Gewerkschaftsboß, was aber eine Finanzierung der Kammern aus Steuermitteln bedeuten würde?

Die Kammern, die ja nicht zu- letzt auch ein Widerpart des all- mächtigen Staates sein und dem Bürger auch vor diesem schützen sollen, würde derart mehr oder weniger sanft in dessen Hand glei- ten. Man führe sich der Anschau- lichkeit halber nur vor Augen, welche Reaktionen etwa der Ge- danke auslösen würde, die Zahlung des Kirchenbeitrages auf die Be- triebe in Form einer Umlage zu überwälzen.

Die Vorwahl-Verwirrung der Gei- ster mag manches verzeihen lassen, solche Ideen aber wirklich nicht mehr. Es wäre wohl angebrachter, sich den Kopf darüber zu zerbre- chen, wie man wieder zu Arbeit- nehmervertretern kommt, die in der Lage sind, Zusammenhänge wirt- schaftlicher und sozialer Art we- nigstens einigermaßen zu überblic- ken, bevor sie sich an die Öffent- lichkeit mit Vorschlägen wenden.

Der Autor ist Volksanwalt.

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