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Riesenspaß, unerträglich

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Verstehen Sie Spaß?" heißt eine Vbeliebte Sendung, die unlängst zum hundertsten Mal über den Bild- schirm flimmerte.

Die Frage ist gut. Wer darauf mit einem freudigen „Ja!" antworten kann, hat's auch gut, denn er kommt besser mit den Menschen zurecht, kommt besser durch's Leben. Ei- ner, der schon am frühen Morgen

mit dem falschen Fuß aufsteht, dem beim Frühstück die Butter vom Brot fällt, der in jedem Menschen den Feind wittert, der seine Arbeit mißmutig bis übellaunig tut, hat wahrhaftig nichts zu lachen - und seine Umwelt auch nicht.

Spaß muß sein.

Wie überall, so hat aber auch der Spaß seine Grenzen. Wir wären beim Thema.

Supermärkte gibt's ja allenthal- ben. Das Angebot ist - mit kleinen Variationen - überall das gleiche. Trotzdem hat fast jeder „seinen"

Supermarkt, wo er immer zur Zu- friedenhei t einkauft. Auf denn, zum fröhlichen Einkauf, denn die Familie ist groß, und das nächste Wochenende steht vor der Tür!

Der Einkaufswagen wird voll und voller, man strebt der Kasse zu, noch ein aufmerksamer Rund- herum-Blick - hat man etwas vergessen? Man hat nicht, aber der aufmerksame Blick visiert ein langes Regal an, bleibt hängen, liest:

„Müde bin ich, geh zur Ruh / decke meinen Bierbauch zu / Vater, laß den Kater mein / morgen nicht so schrecklich sein / Bitte gib mir wieder Durst / alles andere ist mir wurst."

Man liest noch einmal, denn das darf ja wohl nicht wahr sein. Aber man liest den gleichen schwachsin- nigen Spruch, eine anscheinend sehr witzig gemeinte Parodie auf das

Kinder-Abendgebet „Müde bin ich, geh zur Ruh / schließe meine Äug- lein zu / Vater, laß die Augen Dein / über meinem Bette sein..." Der Rest wird als bekannt vorausge-

setzt.

Der schwachsinnige Spruch ist auf schön verzierten Bierkrügen zu lesen, die offenbar beliebt sind, sonst ständen sie ja nicht in den Regalen.

Hier fordert der kernige Dichter den Trinker dazu auf, seinen Bier- bauch zuzudecken, für den ande- ren Morgen um einen nicht zu schrecklichen Kater bei der höch- sten Instanz zu bitten und weiter- hin um Durst, denn alles andere ist ihm wurst.

(Wenn der Schreiber übrigens schon Durst auf Wurst reimt, wäre es wirkungsvoller gewesen, Durscht auf Wurscht zu reimen. Das ist deftiger. Aber vielleicht stammt er

aus nördlichen Gefilden.)

Wenn es ihm auch wurst ist - uns nicht. Denn hier hört der Spaß auf. Hier wird's schlicht ordinär, mit Textanleihen beim Gebet.

Sowas dürfte weder produziert noch zum Verkauf angeboten wer- den. Es ist schlicht geschmacklos und über Geschmack läßt sich zwar in vielen Fällen, in diesem aber ausnahmsweise nicht streiten. Wie man sich gegen solche Auswüchse wehren kann? Boykottieren - ein- fach stehenlassen oder, wie der Wiener so schön sagt: „Net amol ignorier'n."

Damit die Produzenten solcher Machwerke kapieren, wo der Spaß aufhört.

Übrigens: Dies sah und erlebte ich im benachbarten Bayernland - was beileibe nicht heißen soll, daß es hierzuland nicht vorkommen könnte.

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