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Schubert, Cerha

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Zwei Ausländer mußten sich zusammentun, um uns zu Schuberts 175. Geburtstag ein Festkonzert zu bescheren: Corl Melles, der seit 1956 in Wien lebende Ungar, und der schwedische Pianist Lennart Rabes, gegenwärtig Direktor des europäischen Liszt-Zentrums in London. Er brachte Schuberts „Wandererfantasie“ von 1822 mit, die Franz Liszt 35 Jahre später für Klavier und Orchester bearbeitet hat. Es ist ein selten zu hörendes interessantes Stück mit diskreter Verwendung eigener Liedthemen und einer originellen, bei Schubert ungewöhnlichen Fuge als Einleitung des Finales. Liszts ein wenig bombastische Einkleidung ist zwar sehr wirkungsvoll, aber sie paßt nicht recht zu Schuberts natürlicher Einfachheit. — Um so ungetrübter war die Freude an der 5. Symphonie B-Dur, deren Uraufführung der 19jährige Schulgehilfe im Schottenhof erlebte. Dieses zauberhafte und anmutige Werk (ohne Pauken, Hörner und Trompeten) dokumentiert gegenüber der 1. Symphonie D-Dur von 1813, die noch sehr im Bann der Wiener Klassik steht, einen enormen Fortschritt zum persönlichen Stil. — Carl Melles ist ein einfühlsamer, von seinem Naturell her für Schubert prädestinierter Interpret. Mit den Wiener Symphonikern musizierte er beschwingt und in jeder Hinsicht „harmonisch“.

H. A. F.

Bisher hatte man aus Friedrich Cerhas siebenteiligem Zyklus „Spiegel“ stets nur Bruchstücke, Abschnitte gehört. Nun wurden im Musikverein im Zyklus „Musica Viva“ unter Leitung des Komponisten die Sätze V, VI und VII uraufgeführt. 1960/61 konzipiert, hatte die Reinschrift des Werks fast zehn Jahre in Anspruch genommen. Dennoch ist es ein Werkkomplex von erstaunlich einheitlicher Faktur, in seinen natürlichen „dramatischen Entwicklungen“ von Satz zu Satz fast schon Anlaß für Musiktheaterlösungen — obwohl in jedem einzelnen Teil grundsätzlich im Klangzustand kaum größere Änderungen vorkommen. Cerha hat das Werk rein musikalisch gedacht — wie „Mouve-ments“ —, obgleich er selbst für eine szenische Realisation eintritt. Es ist eine Arbeit der feinsten Übergänge, gleichsam selbst ein großräumiges Glissando: „Ein Impuls wird gegeben, das nächstliegende Ereignis ist eng mit diesem Impuls verknüpft, jedes weitere bezieht sich zumeist nur auf das vorhergehende“, beschreibt Cerha das lineare Verfahren, das nur gelegentlich durch eine Art von Rückkoppelung durchbrochen wird. Klangflächen und Klangblöcke, Klangbänder und Tonräume werden kunstvoll miteinander verkettet. Die Aufführung durch das ORF-Symphonieorchester, das auch Schönbergs „Glückliche Hand“ (op. 18) und Weberns „Im Sommerwind“ spielte, lag nach acht Proben weit über dem langjährigen Aufführungsniveau. Das Publikum feierte Cerha und sein Werk stürmisch, wie Komponisten neuer Musik selten gefeiert werden.

• „Ist unserer Literatur die Heiterkeit vergangen?“ lautet die Preisaufgabe der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung für das Jahr 1972. Die beste Arbeit zu diesem Thema wird mit 3000 Mark prämiiert. Der diesjährige Preis wurde nicht vergeben, da die eingesandten Essays über die Frage „Brauchen wir im Deutschen den Konjunktiv?“ die Akademie nicht befriedigten.

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