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Sind bischöfliche Seminare überfordert?

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„Also, wird Ihr Sohn jetzt Pfarrer oder nicht?", haben sie meine Eltern gefragt: Verwandte, Bekannte, Nachbarn. Jahrelang. In den letzten Jahren weniger, weil sich der Sohn gelegentlich sogar auf Tanzveranstaltungen des Dorfes herumtrieb, und da war ja wohl nichts derartiges mehr zu erwarten ...

Im bischöflichen Seminar in Melk wurde recht wenig über die mögliche Entscheidung zu Priesterberuf geredet. Das mögen manche für falsch halten und wehmütig älterer Zeiten gedenken, als der Eintritt ins Seminar noch den Freischein für die Berufung mitlieferte.

Heutzutage entscheiden sich wenige Seminaristen für den Priesterberuf, aber es wären auch nicht mehr, glaube ich, würde man sie mit einer möglichen Berufung andauernd konfrontieren: Viele Jugendliche, die sich wohl ernst, aber kritischer als frühere Generationen mit dem Glauben auseinandersetzen und ihren Gott zunächst,mehr suchen als an ihn glauben, wären mit einer allzu dringlichen Anfrage überfordert.

Wenn man in der heutigen Zeit immer deutlicher den Wert, ja die Notwendigkeit engagierter Laien entdeckt, so müssen wir eine neue, zweite Aufgabe der bischöflichen Seminare sehen und nicht etwa abfällig beurteilen: die Herausforderung, eines lebendigen Christentums an junge Menschen heranzutragen, ganz egal, an welchem Platz sie später im Leben stehen werden.

Mit zehn Jahren bin ich freiwillig in dieses Haus gegangen, im Laufe der Zeit hat sich meine Einstellung zum Seminar mehrfach gewandelt. Manchmal wäre „Zusperren" der einzige Rat gewesen, den ich dieser Institution gegeben hätte. Heute möchte ich ein objektiveres Bild der zurückliegenden Jahre gewinnen und mich fragen: Erreicht ein solches Internat dieses (oben formulierte) Ziel?

Die Realität ist, daß ein nicht geringer Teil der Seminaristen (ich nicht ausgenommen) dem Haus und seinem religiösen Leben sehr fernstanden. Religion wird zur täglichen Pflichtübung, der man nicht einmal mit Kritik gegenübersteht — was immerhin ein Zeichen von Auseinandersetzung wäre - sondern die man in passivem Widerwillen über sich ergehen läßt.

Was läßt solche Haltungen entstehen? Warum sind manche zu Hause in der Katholischen Jugend engagiert, lassen aber im Seminar nichts von religiösem Interesse spüren? Warum fahren einige, die den religiösen Angeboten des Hauses meist fernbleiben, in den Ferien kilometerweit zu Jugendvespern und Jugendmessen? Was hat man gegen Gott, sobald er im Seminar stattfindet?

Natürlich gibt es Probleme mit den Erziehern. Sie stehen allzu vielen jungen Menschen gegenüber und können nicht zu allen die engere Beziehung finden, die als Vertrauensbasis notwendig wäre, um Konflikte im Gespräch zu lösen. Und weil dieses Vertrauen oft fehlt, taucht der Seminarist bei Schwierigkeiten mit dem Erzieher unter seinen Mitschülern unter. Dort werden dann gemeinsam

— gerade in Gruppen ist das leicht

- regelrechte Feindbilder entwik-kelt. .

Werden diese Feindbilder auch auf das Haus und seine Zielrichtungen ausgedehnt? Auch auf die Religion? Wir haben diese kaum anders erlebt, als einen Punkt in der Tagesordnung wie jeden anderen. Wie „Studierzeit" oder „Nachtruhe" läßt man auch die Morgenandacht mechanisch vorüberziehen. (Fragen Sie nicht einen Seminaristen beim Mittagessen nach dem Thema der Morgenandacht!)

Wenn auch eine vollkommene Freistellung religiöser Betätigung mit den Zielsetzungen eines Seminars unvereinbar scheint, sollte man doch mehr als bisher der Entscheidung des einzelnen überlassen. Wer im Seminar den Glauben nur als lästige Pflicht empfunden hat, wird im späteren Leben keinen besonderen Wert auf ihn legen.

Der Autor arbeitet in der Medienstelle der Erzdiözese Wien.

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