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Schon besser

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Warum getraut man sich nicht einmal das Problem so richtig bei den Hörnern zu packen? Es wurde bereits dezent angedeutet, aber sprechen wir es doch deutlich aus: Die Nachwuchsfrage ist eine Bildungsfrage! Nicht nur bei den Jungen, sondern viel mehr auch noch bei den Alten. Wie schauen die Berufungen heute aus? Da gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Mittelschule (Kloster?) — Matura — Seminar — Priesterweihe.

2. Spätberufener — Aufbaumittelschule — Seminar — Priesterweihe.

Ad 1. Der junge Mensch geht nach der Matura gleich in den „Kasten“ (Bezeichnung für das Wiener Priesterseminar). Sein Kontakt mit der Welt ist der des Mittelschülers. Oft sogar noch mangelhafter, da doch viele der Berufenen aus Klosterinternaten kommen, die zum Teil eine gute schulische Erziehung vermitteln, aber die ganzheitliche Erziehung des öfteren doch nicht ganz verkraften können.

Im Ausbildungsgang des jungen Priesters fehlen ganze Wissensgebiete oder sind nur das Exerzierfeld einiger Außenseiter. Ich meine hier eine umfassende Sozialausbildung oder Probleme der Menschenführung, die ein jeder Industriekonzern als selbstverständlich ansieht, seinen Leuten zu vermitteln. Aber die Kirche Gottes hat das scheinbar nicht notwendig. Vielleicht will man den besonderen Gnadenwirkungen ein größeres Betätigungsfeld offen lassen? Dann erfolgt die

Priesterweihe, und der so „ausgebildete Seelsorger“ soll in der Pfarre tätig werden. Dort muß er dann meistens feststellen, daß die Pfarrangehörigen meistens andere Sorgen haben, als das, was ihm im Laufe seiner Ausbildungs jähre mitgeteilt worden ist. Der Großteil der „Seelsorger“ (es gibt hier rühmenswerte Ausnahmen) beginnt dann eine Flucht. Die Flucht in die Aktivität. Jazzmessen, Organisieren von Sportveranstaltungen, Reformierungs-versuche des eingefahrenen kirchlichen Brauchtums, ohne einer behutsamen Bildung der Pfarrgemeinde (ich habe einmal in der Steiermark miterlebt, wie ein junger Kaplan seiner Gemeinde diesen klassischen Satz von der Kanzel herunter gesagt hat: „Das werdet ihr nie oder nur sehr schwer verstehen, aber ab heute wird das so gemacht!“) sind noch die harmloseren Fälle. Wesentlich bedenklicher ist die Flucht in den Schulunterricht. Ich brauche keinen geweihten Priester, um den Kindern den Katechismus zu erklären,

Ad 2. Dasselbe spielt sich bei den meisten Spätberufenen ab, wenn diese nicht zum Teil schon früher abspringen. Man bemüht sich in den Aufbaumittelsohulen oft gar nicht, die natürlichen Fähigkeiten zu bewahren, sondern man ist primär daran interessiert, einen „Klerikalen“ heranzuerziehen, und man isi dann immer sehr überrascht, wenn ein ausgelernter Facharbeiter zum Beispiel auch noch andere Interessen hat als eine Freizeitgestaltung, die über Sport und das Absingen von Seeräuberliedern nicht weit hinauskommt.

Zum Abschluß noch ein Beispiel, das in Seiner Resignation herrlich und typisch ist: Mein Konviktsprä-fekt, der jetzt in einer Wiener Großstadtpfarre als Seelsorger tätig ist, hat mir einmal gesagt, als ich ihm wieder einmal so richtig voll Empörung einen vermeintlichen Mißstand erzählt habe: „Schau, was regst du dich denn auf, es ist ohnehin schon vieles besser. Wie ich ins Seminar gekommen bin, habens uns sogar die Uhren weggenommen mit der Begründung: Sie haben ohnehin die Klosteruhr, gewöhnen Sie sich ans Schlagen!“

Franz Neubauer, Wien VIII

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