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„Socrate“ und Vogelstimmen

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Wieviel man bei uns versäumt, links liegen läßt, erwiesen während der letzten Zeit einige Konzerte mit neuerer französischer Musik. — Da stellte an einem Abend Friedrich Cerha mit seinem Ensemble und dem ORF-Symphonieorchester einen der originellsten Komponisten und Anreger der neuen Musik vor: Erik Sa-tie, gemeinsam mit Jean Cocteau („Hahn und Harlekin“), Theoretiker und Idol der bekannten „Gruppe der Six“. Satie, dieses Originalgenie, Rosenkreuzer und Anwalt einer „musi-que d'ameublement“, schrieb nicht nur für Diaghilew das von Picasso ausgestattete Ballett „Parade“ (1917) aus dem sechs Nummern vorgeführt wurden, nicht nur „Cinq Grimaces“ und Chansons auf eigene surrealistische Texte wie „Der Hutmacher und „Die Bronzestatue“, nicht nur eine „Sonatine burocratique“ und „Klavierstücke in Form einer Birne“, sondern auch die „Gnossiennes“ und die „Gymnopedies“ in seinem feierlichen Stil, den er selbst als „Neogrec“ bezeichnete. — Einen Höhepunkt erreichte er in dem etwa 35 Minuten dauernden Kammeroratorium „So-crate“ für fünf Frauenstimmen und Orchester auf drei meist in kleinen Intervallen deklamierte Dialoge Piatos, zuweilen dem Wiener Zwölftö-ner Hauer ähnlich, dessen Musik er aber ganz bestimmt nicht kannte: ein nobles Werk, hochstilisiert und trotz dem bescheidenen Einsatz der Mittel und ohne äußere Dramatik sehr eindrucksvoll. Ausführende waren die Sopranistinnen Bradel, Höller, Lambriks und Lorenz. (Zu hören am 22. März um 20 Uhr in ö 1.)

Sehr gegensätzliche Werke standen auf dem Programm eines Konzertes im ORF-Symphonieorchester-Zyklus, das Miltiades Caridis leitete. Das jüngste Mitglied der Gruppe der Six, Francis Poulenc, ist erst 1963 gestorben. Drei Jahre vorher beendete er die Partitur eines „Gloria“ für Sopran, Chor und Orchester, das, streng gegliedert und dietonale Basis nie verlassend, einen starken Eindruck macht. Mit dem ORF-Chor alternierte der schöne Sopran von Eva Csäpö. — Das folgende Stück von Olivier Messiaen dauert fünf Minuten weniger, wirkt aber doppelt so lang. „Le Reveil des Oiseaux“ für Klavier und Orchester, eine Natursymphonie mit nicht weniger als drei Dutzend nachgeahmten Vogelstimmen, ist kein glückliches Werk: zu naturealistisch-naiv, bei allem Respekt vor dem berühmten Lehrer, Organisten und Theoretiker. Yvonne Loriod, die Gattin des Komponisten, der dem Konzert beiwohnte, war die bewährte Solistin des ungewöhnlich

komplizierten Soloparts. — Die beiden anderen Programmnummern, von Caridis mit Brillanz und Eleganz dargeboten, bedürfen keiner

Präsentation: „Trois Nocturnes“ von Debussy mit dem ORF-Frauenchor in „Sirenes“ und Dukas „Zauberlehrling“, so recht für die bekannte Disney-Produktion geeignet. — Sehr lebhafter Beifall des zahlreich erschienenen Publikums. (Im Sender ö 1 am 15. März um 20 Uhr zu hören.) Helmut A. Fiechtner

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