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Sommerfreud, Sommerleid

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Immer müssen wir gegen das Wetter wettern. Wir haben etwas dagegen, daß stets irgend ein Wetter sein muß. Die Weder-Noch-Jahreszeiten der letzten Jahre waren uns auch nicht recht.

Sie erinnern sich: da fiel der Winter zum Beispiel auf einen Dienstag, der Sommer auf einen Freitag, und dazwischen war täglich April.

Allerdings haben wir unsere Klimaanlage selbst kaputtgemacht: Flüsse umgeleitet, Wälder gerodet, ein Loch in die obere Ozonschicht gesprayt, die untere durch Autoauspuff-gase vernichtet. Na schön, auch Tiere wirken an der Wetterversauung mit; Rinder, wenn sie sich unanständig benehmen, befördern über ihre Auspuffsrohre Methangas in die Atmosphäre und tragen so zum Treibhauseffekt bei. Doch wir Menschen sind die Hauptschuldigen am Irrenhauseffekt.

Heuer, oh Wunder (Belcredi weiß, ob's so bleibt), konnten wir wieder Sommerfreuden genießen, die da sind: - Ein Bad. Einst eine Einrichtung zum Sauberwerden, heute zum Verrücktwerden. Das Wasser ist mit freiem Auge kaum zu sehen, umso mehr Fett. Die Massen haben das Gelände überlaufen. Die alten Überläufer schreien die Kinder an, weil sie schreien, die Kinder springen vorläufig ohne Gummiseil ins Becken, die jüngeren Älteren verwechseln ihren Kopf mit einem Fußball. Das Freibad ist übrigens eine Lüge, weil Eintrittsgeld verlangt wird. Ist es mit einem Ausflug verbunden, kostet's noch mehr. Aber es muß ja nicht unbedingt Baden bei Wien sein, Duschen bei Graz tut's auch.

- Das Sonnenbad und sein kleiner Bruder, der Sonnenbrand. Der ist zu umgehen, indem man sich gegen die Sonne schützt, während man sie nützt. Sonnenöl macht uns braun, Spray färbt uns ultraviolett. Einzelheiten erfahren Sie von Ihrem Hautarzt, wenn er sie noch nimmt; der Andrang ist groß.

- Der Sommerschlußverkauf. Macht die Kaufhäuser voll, die Geldbörsen leer.

Es ist ein Genuß dabeizusein, wenn

- wie aus dem Wort ersichtlich - der Sommerschluß verkauft wird.

- Die Sommerspiele. Theater ohne Theater. Also ohne ein Gebäude drumherum; die Schauspieler treten im Freien auf. Nichts neues - in modernen Inszenierungen treten Schauspielerinnen auch auf geschlosenen Bühnen im Freien auf.

- Die Gelsen. Die religiösen unter ihnen hausen in Gelsenkirchen, die kulturbeflissenen in Mörbisch, die übrigen überall, wo sie einen Stich machen können. Die Insektenvertilgungsmittel versagen, die kleinen Biester werden immun wie Abgeordnete.

Der nächste Schritt: sie mutieren, das heißt verwandeln sich und wachsen uns über den Kopf. Vielleicht gelingt es noch dem Menschen, aus der Mücke einen Elefanten zu machen.

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