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Verwandlung durch Brecht

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B. B. ist heute schon klassisch geworden und längst nicht mehr so aufregend wie am ersten Tag; das ha1 die Aufführung im Stadttheater Klagenfurt gezeigt, das für sich die Ehre in Anspruch nehmen darf, dieser Brecht schon gegeben zu haben, als ihn Wien links liegen ließ. In Klagenfurt spielte man seine starker Stücke, jetzt holt man die schwächeren zugleich mit den Regisseuren au; der DDR, von denen man siel Authentisches erwarten darf, ein< Auslegung also, bei der kein Jota ir die Versenkung fällt, wenn es au: Tendenz ankommt. So also auch mi der „Verwandlung des Packers Galj Gay in den Militärbaracken von Kil-koa im Jahre neunzehnhundertfünf-undzwanzig“ oder, uim es kurzatmiger zu sagen, mit dem Lustspie „Mann ist Mann“.

Der Ostdeutsche Thomas Ruschir hat's effektvoll mit brechtschem Ver ständnis inszeniert, Hannes Radei den Verwandlungen Rechnung getragen und ein andeutendes Bühnenbild beigestellt, in dem massiv der Bierwaggon der Witwe Begbick Zentrum wird. Dazu Parti Dessaus dröhnende Musik, die zum Teil die eingestreuten Songs textlich unverständlich werden läßt. Das Ziel, einen interessanten Abend zu bieten, wurde erreicht. Man nimmt anteilnehmend zur Kenntnis, wie Brecht den gutmütig-dämlichen Galy Gay in ein Monstrum ummanipuliert: unfreifreiwillig wird er britischer Soldat (Pech, daß es damals die häßlichen Amerikaner als Vorwand nicht gab) und ein Mordskerl, der das Zeug zur Mordbestie hat. Wie man diesen Kleinbürger, der nicht nein sagen kann, hineinlegt und mit Tricks — Elefantenauktion — und Todesangst zum Soldaten Jeraiah Jip wandelt, wird mit echt brechtscher Spitzfindigkeit gezeigt und bewiesen: der Mensch ist umfunktionierbar, wenn man's nur geschickt anzustellen weiß. Gehirnwäsche mit programmierter Waschkraft? Umdrehung durch Dreh? Egal, wir werden Zeugen, wie einer sich selbst verleugnet, wenn er den abhandengekommenen vierten Mann einer MG-Gruppe aus Gefälligkeit ersetzt, wenn er Halt und Persönlichkeit verliert und, an seiner Existenz irre, sich erschossen glaubt; dann ist es nur folgerichtig, daß er sich selber die Grabrede hält, ehe er hinzieht in einen frischfröhlichen Krieg kapitalistischer Provenienz. Ob dies der Packer tut oder der Soldat, ist gleich. Mann ist Mann, wenn man ihn nur richtig zu nehmen versteht und verwandelt.Oder geht es nur um die in uns latenten tödlichen Instinkte, die der Erweckung harren? Auch das wäre eine Möglichkeit im Auf und Ab eines Lustspiels, darin die Lust, spielerisch zu töten, vom „Blutigen Fünfer“ demonstriert wird, der einst eine Hindufünf abknallte.

Fazit: Es geht um einen darstellerisch höchst bemerkenswerten Abend, der in Horst Eders Galy Gay seinen zwischen Lachen und Entsetzen gelagerten Kern hatte. Man lernte einen wenig bekannten Brecht kennen; das genügte für den anerkennenden Beifall eines Publikums, das man mit einer Programmbeilage in die „Schule des Killens“ eingewiesen hatte.

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