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Volksversammlung

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Die bedauerlichen Rückläufigkeiten und Schwierigkeiten im kirchlichen Leben sollen uns nicht vergessen lassen, daß es die katholische Kirche in Österreich nach wie vor Sonntag für Sonntag zustandebringt, so viele Gläubige in den Kirchen und Kapellen dieses Landes zu versammeln, daß man mit Fug und Recht von der größten Volksversammlung, die ohne Zwang und Druck allwöchentlich stattfindet, sprechen kann.

Freilich: In Wien und anderen Städten sind es oft nicht mehr, manchmal auch weniger als zehn Prozent, die dem Ruf der Kirche und der Glocken, die zum Gottesdienst einladen, folgen. Doch wissen wir nicht aus dem Evangelium, daß auch zu Lebzeiten Jesu nicht mehr als einer von zehn Geheilten den Weg zu ihm fand und ihm dankte, die anderen aber als selbstverständlich hinnahmen, was Geschenk und Gnade war?

Doch es gibt auch in Wien Pfarren und Kirchen, die nicht nur eine größere Zahl von Dominikanten anziehen, sondern,auch eine besonders intensive Form der Meßfeier anbieten. Hiezu bedarf es meist einer besonderen Priesterpersönlichkeit, die durch Predigt und Beispiel wirkt und ausstrahlt.

Ich habe das Glück, in einer Döblinger Pfarre in Wien zu wohnen, auf deren Gebiet sich die Klosterkirche der Schwestern vom armen Kinde Jesu befindet. Der Rektor dieser Kirche, Wolfgang Flasch, versteht es seit Jahren, die Gottesdienste so zu gestalten, daß sie zu einem echten Erlebnis werden und Menschen von weit und breit herbeiströmen, um mit einer lebendigen Gemeinde mitfeiern zu können. Besonders die Neun-Uhr-Messe findet Sonntag für Sonntag in einer überfüllten Kirche statt.

Es gibt auch andere Kirchen und Priester, die sich durch eine besondere Intensität der Vermittlung auszeichnen, so die Pfarre von Paul Weß in der Wiener Machstraße.

Von diesen kleinen Zentren gehen Impulse in die Gesamtkirche aus; ja auch die vielen, die achtlos am göttlichen Angebotvorbeigehen, weil es nicht selten mit vielem Allzumenschlichem vermischt ist, oder weil es ihnen überhaupt nicht der Mühe wert scheint, zehren, ohne daß sie es wissen, von den Gebeten und Opfern derer, die den Ruf Gottes nicht überhören, auch wenn es ihnen oft nicht leicht fällt, über manche Begleiterscheinungen des Göttlichen hinwegzusehen.

Aber wenn wir hoffen, von Gott trotz unserer Fehler angenommen zu werden, wie sollten wir dann nicht auch die Kirche trotz aller ihrer Fehler annehmen und besuchen?

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