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Warum ist unsere Jugend so verweichlicht?

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J£pj meine, daß die Jugend immer irgendwie ein Spiegelbild der Erwachsenen ist. Bei allem Generationengegensatz — die Jungend muß sich ja ihre Welt suchen und formen an den Gegebenheiten, die sie vorfindet, an den Maßstäben, die die Älteren ihr vongesetzt haben.

Warum ist denn unsere Jugend so verweichlicht? Warum klagt man in den Schulen, daß die Kinder nicht mehr turnen wollen,daß sie die Wandertage schwänzen? Liegt nicht die Wurzel darin, daß die Kinder in einer Zeit körperlicher Bequemlichkeit, ja Bewegungsfeindlichkeit aufwachsen? Wir wollen alle längst möglichst wenig selbst tun, überall herrscht die Automatik, helfen Maschinen und Motoren, und das ist gut so. Aber sie erziehen zur körperlichen Unbeweglichkeit mit all ihren medizinischen Folgeerscheinungen, die dann durch Fitnessprogramme wieder wettgemacht wenden sollen. Dies aber mag die Jugend nicht, weil sie ein Surrogat in ihnen sieht.

Wir sind eine Generation von Autofahrern. Vom Babysitz an wachsen die Kinder im Auto auf. Wo es noch Familienausflüge zum Wochenende gibt, wird stundenlang gefahren und zu wenig spazieren gegangen. Verlernen wir das Gehen schon? Der natürliche Bewegungsdrang des Kindes, in der Großstadt ohnedies behindert, wird ihm abtrainiert, statt in notwendigem Maße entwickelt zu werden. Wir Büro- und Fließ-bandmenschen sind Sitzmenschen geworden — mobil durch das Auto, aber nicht mehr selbst beweglich.

Sport ist etwas, was man ablehnt oder wofür man sich begeistert — je nach Temperament. Aber die Sportbegeisterung äußert sich nur in Passivität, in der Rolle des Zuschauers, auf dem Fußballplatz oder vor dem TV-Schirm.

Natürlich spielt auch die Mode eine Rolle. Junge Mädchen wollen modisch gekleidet sein, auch modische Schuhe tragen — mit denen sie nicht gehen können. (Wo bleiben die Orthopäden, die gegen den Unfug der Plateauschuhe und ähnliche Auswüchse der Da-menschuhmode protestieren?)

Pur Hygiene haben Kinder in einem gewissen Alter nun einmal nicht viel übrig. Buben, die sich nicht den Haus waschen, sind keine Zeiterscheinung, die hat es immer gegeben. Aber die langen Haare machen die Ungepflegtheit zum Problem. Läuse und Flöhe und damit Krankheitsüberträger sind wieder im Vormarsch. Kinder begreifen den Zusammenhang von Hygiene und Gesundheit nicht von selbst, man müßte ihnen das viel besser und viel öfter erklären. Vielleicht sollte man — statt allzuviel -Sexkunde — mehr Hygiene und Gesundheitslehre unterrichten.

Daß es zu wenig Schulärzte gibt in Österreich, ist bedauerlich. Wenn sogar die zuständige Ministerin das feststellt, müßte auch mehr geschehen. Die Zusammenarbeit von Schularzt und Lehrern mag nicht immer funktionieren. Wenn aber der Schularzt zu großzügig ist bei der Freistellung vom Turnunterricht, dann tut er den Kindern nichts Gutes.

Etwas funktioniert bestimmt zu wenig: die Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus. Die Lehrerschaft klagt, daß sie von den Eltern her zu wenig Unterstützung findet, und die Eltern wieder meinen, die Lehrer verlangten von ihnen au viel an Nachhilfe für die Kinder. Jeder glaubt, daß ihr vom anderen zu viel zugeschoben werde — und dabei sollten sie doch Partner sein.

Ich meine, man müßte noch viel darüber nachdenken, wie Eltern und Schule noch besser als bisher zusammenarbeiten können — im Interesse der körperlichen und der geistigen Gesundheit unserer Jugend.

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