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Wenn Musik zu Sprechen beginnt

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„ .Jedes Wort muß verständlich sein' - Das war immer das Argument Bert Brechts, wenn ich mit ihm über Oper diskutierte. Ich habe Brecht darauf geantwortet: Der Wortsinn ist nicht immer das Entscheidende. Oft ist es auch der Klang, oft ist das Farbsinnliche viel wichtiger, die Mischung von Klang und Wortdeutlichkeit. Wo Handlung fortschreitet, versteht sich Wortdeutlichkeit ja von selbst. Das bedeutet dann: Sparsamwerden in der Musik. Wo aber nur psychische Momente, Emotionen, wirken, übernimmt die Musik oft sogar die Funktionen der Sprache, des Ausdrucks ... Musik .spricht'!“

Gottfried von Einem, 58, einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Komponisten und nicht nur Österreichs, hat in fast allen seinen Opern dieses Prinzip der „Mischung“ durchgehalten: In „Dantons Tod“ (nach Büchner), im „Prozeß“ (nach Kafka), im „Besuch der alten Dame“ (nach Dürrenmatt) - wobei „Prozeß“ und „Besuch“ in der Staatsoper in hervorragenden Produktionen vorhanden waren, aber vom früheren Opernchef liquidiert wurden (was Einem heute noch bis zur Weißglut zornig macht) -; und er hält dieses Prinzip nun auch in seiner neuesten Oper nach Schiller, „Kabale und Liebe“, durch. Sie wurde am 17. Dezember in der Wiener Staatsoper von einem prominenten Team uraufgeführt.

„Ein Werk wie eine Strichzeichnung, hart und klar wie Goya“, charakterisiert Einern die Kammeroper, „ein Werk ohne allen Aufwand, Bilder ohne szenischen Umbau, keine Zwischenspiele, alles einfache Versatzstücke ... für mich war das eine Stilfrage!“ Den Text Schillers hat er gemeinsam mit seinem berühmten Lehrer Boris Bleicher und seiner Frau, der Wiener Dramatikerin Lotte Ingrisch, adaptiert. „Schiller ist Schiller geblieben... An dieser idealen Szenenfolge durfte man nichts ändern, wenn man die Harmonie dieser sieben Bilder, das Prinzip szenischer Spiegelung nicht stören wollte. Aber wir mußten etwas im Sprachreichtum vereinfachen, Pasto-ses, pathetische Wendungen wie .Großmächtiger' oder .Allgerechter Herr', vereinfachen.“

Einem hat sich, noch bevor er die Oper komponierte, mit dem Dirigenten Christoph von Dohndnyi und Regisseur Otto Schenk lange und ausführlich unterhalten: „Ich wollte schließlich einen sehr straffen Ablauf der Szenen, ganz ohne Verwandlungsmusiken, eben kein expansives Dekorationsstück!“

Und außerdem holte er sich auch Rat bei den Sängern, bei Anja Silja, Christa Ludwig, Walter Berry, Bernd

auf dem Standpunkt: lieber vorher alles klären! Wenn die Oper erst komponiert ist, ist sie Sache der Interpreten. Außerdem regen mich Sänger wie die Silja oder die Ludwig und die Eigenart ihrer Stimmen an, eine Opernfigur plastischer zu gestalten!“

Die Musik zu „Kabale“ ist letztlich auch von Schiller bestimmt: „Es ist alles auf der Basis der Spiegelung und auf chromatischen Details aufgebaut ... Alles für das konventionelle alte langweilige Orchester“, lacht Einem, „aber das ist ja wieder ,in'. Oder?“ Zwar mangelt es nicht an komplizierten Details, an Problemen der Tonartensymbolik, die Einem stets faszinierten, an harmonischen Schwierigkeiten, die den Orchestermusikern zu schaffen machen. „Aber davon hört das Opernpubükum kaum etwas. Was es hört, ist einfacher; etwa die B-Klarinette als Symbol für Luises Liebe, das Horn als Instrument Ferdinands, des Liebhabers, die Posaune, die das Motiv des Todes spielt, oder das Cello für den alten Musikus Miller ...“

„Kabale“ ist zwar noch nicht einmal so „recht aus dem Haus“ der Einems. Aber schon wartet Neues auf Fertigstellung: ein Klavierkonzert für Gertie Herzog in Berlin, ein Klaviertrio - Einem: „ich laß' mir jetzt von den Schnitzlers Haydn vorspielen, um in Schwung zu kommen!“ - und schließlich eine „Kirchenoper“ für den Carin-thischen Sommer - „Der Prozeß Jesu“.

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