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„Niemand darf an den Pranger gestellt werden”

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Liese Prokop (VP), Stellvertreterin des Landeshauptmannes von Niederösterreich Erwin Pröll, kann sich eine Solidarabgabe vorstellen.

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Liese Prokop (VP), Stellvertreterin des Landeshauptmannes von Niederösterreich Erwin Pröll, kann sich eine Solidarabgabe vorstellen.

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OIEFl'RCHE: Wie stehen Sie zur umstrittenen Einfuhrung einer Solidarabgabe für Besserverdienende? Liese Prokop: Wenn es generell zu Solidarleistungen kommen soll, bin ich die erste, die zustimmt. Es darf aber nicht ein Art Melkkühe geben nach dem Motto: jetzt bitten wird die Politiker zur Kasse, dann die Ärzte und so weiter. Eine solche Solidarabgabe darf niemanden an den Pranger stellen. In Österreich wird es einem ja gleich schlecht ausgelegt, wenn man zuviel verdient.

Wenn wir uns alle zur Solidarabgabe bekennen, könnten wir sagen, daß man für die nächsten zwei Jahre den 13. und 14. Monatsgehalt besteuert. Aber es muß zeitlich eingeschränkt bleiben. Auch für Familien kann ich mir hier eine kurzfristige Kürzung der Familienbeihilfe vorstellen. 50 Schilling weniger pro Kind würde jede Familie verkraften. Es muß aber ein Gesamtpaket sein, das für alle gilt. Ich hielte insgesamt diese Vorschläge für unsinnig, wenn man nicht gleichzeitig den wirklich Bedürftigen hilft. Sechzig Prozent der Arbeiter mit mehr als zwei Kindern leben bereits unter der Armutsgrenze. Diese sollen nun genauso belastet werden wie die Besserverdienenden? Das kann nicht der richtige Weg sein.

Ich halte es auch für falsch, daß etwa die Familienbeihilfe für alle gleich hoch sein muß. In diesem Punkt treffe ich mich mit vielen Kollegen in meiner Partei nicht. Auch eine vernünftige Energiesteuer ist vorstellbar. Sie dient sicher der bewußteren Nutzung und sollte auch dem Verbraucherprinzip Bechnung tragen. Wir in Niederösterreich haben uns ebenso neue Einnahmenvorschläge überlegt, die aber erst diskutiert werden müssen.

Man kann sich nicht mehr länger der Illusion hingeben, daß der Staat alles bieten muß, aber nichts verlangen darf. Im Gesundheitsbereich galoppieren uns zum Beispiel die Kosten davon. Ich hätte absolut nichts gegen einen Selbstbehalt von 20 Prozent im Gesundheitswesen.

DIEFURCHE: Wie schätzen Sie die Chancen ein, daß Mehrkinderstaffel und erhöhtes Karenzgeld bleiben? PROKOP: Ich halte es nicht für gut, das erhöhte Karenzgeld zu streichen, vor allem bei jenen mit niederem Einkommen. Unser Vorschlag aus Niederösterreich ist, daß man ein einheitliches Karenzgeld einführt. Dort, wo tatsächliche Härten auftreten - was man nachweisen muß -soll das erhöhte Karenzgeld beibehalten werden. Ich schätze, daß von den derzeit 33.000 Alleinerzieherinnen nur mehr rund 15.000 in den Genuß des erhöhten Karenzgeldes kommen werden. Die Begreßforde-rung an den Vater halte ich dabei für wichtig und notwendig. Es gibt ja sehr viele Unverheiratete, die sagen: warten wir ab, bis wir zwei Jahre hinter uns haben, denn warum sollen wir auf das Karenzgeld verzichten. Wenn ein Begreß nicht möglich ist, muß allerdings natürlich der Staat einspringen.

Die Mehrkinderstaffelung würde ich absolut so beibehalten, wie sie jetzt gehandhabt wird. Ich halte es auch für richtig, bei der Familien-beihilfe eine Alters- und Mehrkinderstaffelung einzuführen.

DIEFURCHE: Sie halten wenig von der geplanten Vereinheitlichung der Familienbeihilfe auf 1.550 Schilling? PROKOP: Das halte ich für unsozial. Gerade mit der derzeit geplanten Vereinheitlichung der Mehrkinderstaffel haben Familien mit drei und mehr Kindern einen enormen Nachteil. Das Einkommen bei diesen Familien wächst ja nicht. Im Gegenteil. Bei der derzeit geplanten Mehrkinderstaffelung vervielfältigt sich die Ungerechtigkeit. Staatliche Förderungen nehmen nicht mehr darauf Bücksicht, ob jemand sozial schwach ist. Daß jedes Kind gleich viel wert sein muß, egal wieviel die Eltern verdienen, ist für mich ein sozialer Bückschritt.

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