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Das Erbe Hammer-Purgstalls

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Um die Tradition der Konsularakademie fortzusetzen, wird es auch notwendig sein, besonderes Augenmerk dem Studium orientalischer Sprachen zuzuwenden. Die Orientakademie der Hammer-Purgstall- Gesellschaft in Wien leistet auf diesem Sektor schon seit drei Jahren erfolgreiche Pionierarbeit, deren sich die neue Diplomatenakademie bedienen sollte. Es wäre wohl nicht notwendig, eigene Sprachkurse für die orientalischen Sprachen einzurichten. Die Hörer der Diplomatenakademie könnten zusätzlich an den Sprachkursen der Orientakademie der Hammer-Purgstall-Gesellschaft, die ebenfalls vom Bund erhalten wird, teilnehmen.

Vielleicht ist die thematische Vorbereitung der Kurse der diplomatischen Akademie nicht mit solcher Sorgfalt betrieben worden, wie dies in der Organisation geschehen ist. Allein das Eröffnungsdatum, ein halbes Jahr vor der Aufnahme des Lehrbetriebes, wirkt sonderbar und läßt sich vielleicht am ehesten mit den bevorstehenden Landtagswahlen in verschiedenen österreichischen Bundesländern, insbesondere in der Bundeshauptstadt Wien, erklären. Es soll wohl möglichst als Erfolg cies Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Öffentlichkeit dargestellt werden. Wegen der Verpflichtung österreichischer Lehrkräfte wird man sich aber wohl noch in Verhandlungen mit dem Bundesministerium für Unterricht einlassen müssen. Die Verwendung von diplomatischen Praktikern als Vortragende allein, wird wohl nicht ausreichen. Derzeit ist man aber, wie aus dem Unterrichtsministerium bekannt wunde, an dieses Ressort wegen einer zeitweiligen Freistel lung von Hochschullehrkräften für die Diplomatenakademie noch nicht herangetreten. Man denkt vor allem an die Verpflichtung des Ordinarius für Völkerrecht an der Universität Wien, ordentlicher Professor Doktor Stephan Verostä, und an den bekannten Historiker ordentlicher Professor Dr. Engel-Jdnosi.

Achtung, Hochschulen!

Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien, die für die Abhaltung des Lehrganges für internationale Studien zuständig ist, hat sich jedenfalls mit der neuen Situation bereits abgefunden und den bisher zweijährigen Lehrgang für internationale Studien für das Wintersemester 1964/65 ohne weitere Begründung auf ein Jahr reduziert. Wie man hört, wurde diese Maßnahme zur Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit des Lehrganges ergriffen, da es einem Teilnehmer des Hochschullehrganges nicht zuzumuten ist, einen zweijährigen Kurs absolvieren zu müssen, während die diplomatische Akademie nur ein Jahr in Anspruch nimmt. Allerdings dürfte die Ausbildung an der Diplomatenakademie, die ja ganztägig ist, intensiver sein, als die Abendveranstaltungen des Lehrganges für internationale Studien.

Am Beispiel der Wiener Diplomatenakademie kann wieder einmal die Bedrohung der Stellung der Hochschulen durch neugeschaffene hochschulfremde Institutionen demonstriert werden. Die nun auch in Österreich in stärkerem Maße entstehenden Institute für fortgeschrittene Studien (advanced studies), sind bei entsprechender Aktivität ein ernstzunehmender Gegner für die Stellung der Hochschulen in der Bildungspyramide. Die höchste Stufe der Ausbildung, die bisher unbestritten bei den Hochschulen lag, wird ihnen streitig gemacht. Die Hochschulen werden dieser Entwicklung erhöhte Aufmerksamkeit schenken müssen. Sie werden sich bemühen müssen, die Kurse für absolvierte Akademiker in die Hochschulen einzubeziehen. Hierzu sind Initiative, Unternehmungsgeist und Fortschrittlichkeit erforderlich.

Politisch Lied?

Wenn das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten nunmehr die Diplomatenakademie, also eine Einrichtung der „advanced studies",betreibt, so mag dies der bisherigen Tradition entsprechen; kompetenzmäßig gehört eine derartige Einrichtung aber in den Bereich der Unterrichtsverwaltung. Das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten hat nach dem Kompetenzgesetz von 1959 ausschließlich die Vertretung Österreichs nach außen und den Abschluß von Staatsverträgen zur Aufgabe. Es handelt sich bei der Diplomatenakademie auch nicht um einen berufsbildenden Kurs, da die Teilnehmer in keinem Dienstverhältnis zum Außenministerium stehen. Es wurden verschiedentlich auch Befürchtungen geäußert, daß die plötzliche Eile, mit der der Aufbau der Diplomatenakademie vorbereitet wird, nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß trotz der nunmehrigen fünfjährigen Ministerschaft des Außenministers nicht genügend „Parteifreunde“ des Ministers Aufnahme gefunden haben. Vielleicht hängt dies ganz allgemein mit der geringen Anzahl der Akademiker, die der Sozialistischen Partei angehören, zusammen. Man will aber angeblich auch die Dienstzweigeverordnung, wonach von der philosophischen Fakultät nur Absolventen mit dem Fach Geschichte für die Aufnahme in den Höheren Auswärtigen Dienst in Betracht kommen, abändern und somit anderen Absolventen der philosophischen Fakultät Zugang zu einer diplomatischen Karriere ermöglichen. Durch eine solche Maßnahme könnte eventuell eine Zunahme der sozialistischen Bewerber um Aufnahme in den Höheren Auswärtigen Dienst erreicht werden. Es ist nur zu hoffen, daß die begrüßenswerte Einrichtung der österreichischen Diplomatenakademie nicht zu einer vornehmlichen Maßnahme zur Verstärkung der Anzahl der Parteigänger im Außenministerium reduziert wird.

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