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Der neue Unterrichtsgegenstand

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Es ist sicher nicht sehr erfreulich, wenn ein spanischer Gelehrter behauptete, daß die Ausbildung unserer Schüler stets veraltet sei. Wurden doch schon die Lehrer der Schüler von Lehrern unterrichtet, die zumeist nur das Weitergaben, was sie bereits übernommen hatten. Der dargebotene Lehrstoff hinkte also nach. Ich weiß aus Erfahrung, daß diese Behauptung leider nicht ganz zu Unrecht bestanden hat. Ich darf aber ebenso aus Erfahrung feststellen, daß sich die Ausbildungsmethoden heute in einem Stadium der Änderung befinden. Vom Bundesministerium für Unterricht werden laufend Lehrerseminare und Kurse in berufspädagogischen Lehranstalten durchgeführt. Der Lehrerfortbildung wird also großes Augenmerk geschenkt. Aber auch modernen Unterrichtsmethoden gegenüber ist man aufgeschlossen. Sprachlabors werden an- geschafft, die Anwendbarkeit eines „Programmierten Unterrichts“ wird überprüft, und die „Kybernetische Pädagogik“ nimmt ihren Weg. Und so wird auch die elektronische Datenverarbeitung nicht erst von der nächsten Generation unterrichtet werden.

Der OECD-Bericht über die Automation stellt fest, daß in Österreich im Jahre 1975 etwa 15.000 Fachkräfte im Bereich der Daten-

Verarbeitung notwendig sein werden. Um aber 15.000 gut ausgebildete Fachkräfte auswählen zu können, muß ein weitaus größeres Reservoir von ausgebildeten Menschen zur Verfügung stehen. Aber abgesehen von dieser Tatsache gehört es heute schon zur Allgemeinbildung, eine gewisse Mindestkenntnis auch von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen zu haben.

Das Bundesministerium für Unterricht hat die Bedeutung, die die elektronischen Datenverarbeitungsanlagen heute schon haben und in nächster Zeit noch in weitaus größerem Umfang erlangen werden, nicht nur erkannt, sondern diesem Umstand auch Rechnung getragen: Ab 1. September 1967 wird dem berufsbildenden Schulwesen, das heißt den kaufmännischen und technisch gewerblichen Lehranstalten, eine elektronische Datenverarbeitungsanlage angekauft. Diese Anlage wird im Wiener Lehrbüro aufgestellt.

Um den Gegenstand „Automatische Datenverarbeitung mit Übungen“ unterrichten zu können, waren viele Vorbereitungen zu treffen. Galt es doch vor allem, einen entspre-

chenden Kader an Lehrern auszubilden, die diesen Gegenstand unterrichten können. Das Bundesministerium für Unterricht übernahm für 100 Lehrer von kaufmännischen Lehranstalten die Kosten, damit diese einen zwei- semestrigen Kurs an der Hochschule für Welthandel in Wien besuchen können. Die Lieferfirma der Datenverarbeitungsanlage bildete in einem fünfwöchigen Kurs 40 Lehrer der kaufmännischen und technisch gewerblichen Lehranstalten im Programmieren der gekauften Anlage aus. Die Ausbildung weiterer Lehrer wird dann bereits durch die schon ausgebildeten Kollegen erfolgen. Noch ist es nicht möglich, den Gegenstand „Automatische Datenverarbeitung“ in ganz Österreich obligatorisch einzuführen. Er wird ab dem kommenden Schuljahr als Schulversuch im Rahmen der „Aktuellen Fachgebiete“ als Freigegenstand eingeführt werden. Es konnte aber bereits festgestellt werden, daß bei den Schülern großes Interesse besteht, die zusätzliche Belastung einer Ausbildung in diesem Fachgebiet freiwillig auf sich zu nehmen. Bei einer kommenden Lehrplanänderung wird der Gegenstand „Automatische Datenverarbeitung mit Übungen“ nicht mehr fehlen.

Die Bildungs- und Lehraufgabe besteht in der Schulung des Verständnisses für automatische Datenverarbeitung, in der Vermittlung der Grundlagen der mechanischen und elektronischen Datenverarbeitung. Ein Überblick über Aufbau und Programmierung derartiger Anlagen wird gegeben. Das Verständnis für die Probleme der Organisation eines Betriebes bei Verwendung einer Datenverarbeitungsanlage muß besonders geschult werden. Der Lehrstoff soll den Schülern im 4. und 5. Jahrgang in je zwei Wochenstunden nahegebracht werden. Bei der Darbietung des Lehrstoffes soll der Verwendung moderner Unterrichtshilfsmittel und modernen Anschauungsmaterials besonderes Augenmerk geschenkt werden. Schulen in deij Bundesländern, die nicht die Möglichkeit haben, an der in Wien installierten Anlage zu arbeiten, werden die Praxis an einem Rechenzentrum durchführen. Ob auch in diesen Schulen kleinere Anlagen angeschafft werden oder ob die Möglichkeit einer Datenfernübertragung besteht, muß noch geprüft werden.

Die im Wiener Lehrbüro zur Verfügung stehende Anlage soll aber nicht nur für reine

Unterrichtszwecke verwendet werden. Auf Anregung des Bundesministeriums für Unterricht wurde eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, die untersuchen wird, welche Aufgaben die gekaufte Anlage noch zusätzlich erfüllen kann. So könnte die Anlage zum Beispiel für die Auswertung einer umfassenden Schülerstatistik eingesetzt werden. Für eine Statistik, die nicht nur verwaltungstedmischen Belangen entspricht, wie Name, Wohnort, Heligon usw., sondern auch eine Auswertung in pädagogischer Hinsicht ermöglicht. Es wird interessant sein, neu eintretende Schüler zu erfassen und sie für die Dauer ihres Studiums weiter zu verfolgen. Auch eine Lehrerstatistik kann eingerichtet werden. Mehrere Abteilungen des Bundesministeriums für Unterricht haben bereits ihre Wifnsche angemeldet: Die Anlage soll helfen, verschiedene Probleme wirtschaftlicher zu lösen. Die Arbeitsgemein-

schaft sieht ein weiteres Einsatzgebiet der Anlage in der Erstellung von Standardaufgaben mit Lösungen für den Mathematik- und Kaufmännisch-Rechnen-Unterricht. Diese Aufgaben könnten dann allen Lehrern dieser neuartigen Fächer zur Verfügung gestellt werden.

Wenn auch erst ab dem kommenden Schuljahr ein Großteil der Schüler der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen Österreichs Gelegenheit haben wird, eine Ausbildung in elektronischer Datenverarbeitung zu erhalten, darf an dieser Stelle noch festgestellt werden, daß am Technologischen Gewerbemuseum in Wien bereits seit zehn Jahren Unterricht über die Datenverarbeitung gehalten wird, und daß von dieser Anstalt schon viele Absolventen in die Datenverarbeitungsindustrie gingen und dort heute gute Positionen bekleiden.

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