6702730-1963_38_05.jpg
Digital In Arbeit

Der fünfte Alpenpaß

Werbung
Werbung
Werbung

Unter dem Titel „Keine Hochstapelei im Straßenbau!“ habe ich kürzlich in der Presse den geplanten Straßentunnel bei Mallnitz im gegenwärtigen Augenblick als nicht notwendig dargestellt. Das Entstehen größerer Verkehrsstauungen beim Durchschleusen der Autos der rückflutenden Sommergäste im Eisenbahntunnel durch die Tauern haben nun den Ruf nach dem raschen Bau des Mallnitz-Straßen- tunnels neuerdings laut werden lassen. Dieser Ruf, der von einer steigenden Nervpsitąt diktiert scheint, vermag ajjer di,e Argume/ite, die gegpn,,j(den IJS d rzd|igefl Bau ,dieses S aßentufinels sprechen, nicht abzuschwächen.

Unser Vaterland Österreich wird vom Arlberg bis zum Semmering von der Bergkette der Zentralalpen durchzogen. Dieser Gebirgszug teilt Österreich von der Oststeiermark bis zur Großvenedigergruppe in Osttirol in zwei Hälften. Und ei bildet von dort an die Grenze zwischen Nord- und Südtirol. Den Gürtel der Zentralalpen haben bisher vier Straßen überquert: die Straße über den Schober- paß in der Steiermark, die Straße über den Katschberg und die Radstädter Tauern, die Brennerstraße und die Straße über das Reschen- scheideck. Dazu kommt nun noch als fünfte Nord-Süd-Verbindung die Felbertauernstraße, deren Stollen von der Südseite der Felber- tauern bereits in eine Tiefe von über zwei Kilometern vorangetrieben ist.

Das Kapital konzentrieren

Diese fünf Verkehrsadern, die neben den bestehenden Eisenbahnlinien den nördlichen mit dem südlichen Teil unseres Vaterlandes und das zerrissene Tirol verbinden, könnten nach dem genialen Plan eines großen Baumeisters entstanden sein bzw. sich entfalten. Denn sie durchbrechen die Zentralalpen in fast gleichmäßig breiten Abständen von rund 80 Kilometer. Diese kleinen Abstände zwischen den fünf Nord-Süd-Verbindungen können selbst von Omnibussen in zweistündiger Fahrzeit leicht bewältigt werden. Sie vermögen daher zweifellos den Anforderungen des modernen Straßenverkehrs durch eine Reihe von Jahren voll zu entsprechen, wenn die Felbertauernstraße in einem raschen Tempo ausgebaut wird und die vier bestehenden Straßenzüge entsprechend modernisiert werden.

Die rasche Entfaltung dieser fünf Nord-Süd-Verbindungen zu ganzjährig offenen modernen Verkehrs- und Wirtschaftsadern, von denen der Straße durch die Radstädter Tauern, der Felbertauernstraße und der Straße über den Brenner wegen ihrer verkehrstechnischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung der Vorrang im Ausbau eingeräumt werden muß, erfordert eine Konzentration des verfügbaren öffentlichen und privaten Kapitals auf diese Straßenprojekte. Dieser konzentrierte Einsatz der Straßenbaumittel der öffentlichen und privaten Hand ist umso notwendiger, als sich unsere oft geäußerte Sorge vor der drohenden Umfahrung Österreichs als berechtigt erwiesen hat und weil der Bau bzw. der Ausbau dieser fünf Nord-Süd-Verbindungen einen Kapitalaufwand von mehreren Milliarden Schilling erfordert.

Zwei Mauten nebeneinander

Der Bau des Straßentunnels bei Mallnitz, der von der Felbertauernstraße nur rund 40 Kilometer entfernt wäre, würde mit der notwendigen technischen Ent- und Belüftungsanlage und den Zubringerstraßen wieder einen Kapitalaufwand von einer halben Milliarde Schilling erfordern. Das ist dieselbe Summe, die die Felbertauernstraße kosten wird. Die Nord-Süd- Verbindung bei Mallnitz würde ferner so wie die durch den Felbertauern derzeit nur als Mautstraße fungieren können. Es würde daher die Existenz dieser zwei in einer so geringen Entfernung bestehenden Mautstraßen die Rentabilität der großen Investitionen auf beiden Seiten zum Schaden der Aktionäre — das sind vor allem der Bund und die interessierten Länder und Gemeinden — weitgehend zerschlagen.

Die Schädigung de Bundes wäre umso größer, als der Straßentunnel bei Mallnitz die mit großen Kosten verbesserte und rentable Autobeförderung durch den dortigen Eisenbahntunnel auch noch zu einem Defizitbetrieb wandeln würde.

Wenn die Felbertauernstraße so weit vollendet ist, daß sie für den Verkehr freigegeben werden kann — man hofft, daß dies im Jahre 1966 möglich sein wird —, wird sie auch den Eisenbahntunnel durch den Tauern in einem Ausmaß zu entlasten vermögen, daß das Durchschleüsen der Kraftfahrzeuge ohne untragbare Wartezeiten bewältigt werden kann.

Viele Nutznießer

Bis zu diesem Zeitpunkt gäbe es dort auch dann keine Entlastung, wenn der Bau der Nord-Süd-Verbindung bei Mallnitz jetzt in Angriff genommen würde. Denn man könnte auch diesen Straßentunnel und die Umfahrung der Kurorte im Gasteiner Tal nicht über Nacht aus dem Boden stampfen. Es ist aber auch unsere Überzeugung voll berechtigt, daß die Felbertauernstraße nach der notwendigen Modernisierung der Drautalstraße und der Straße von Oberdrauburg nach Kötschach- Mauthen die gesamten wirtschaftlich unterentwickelten Gebiete des Möll- tales, des Lesachtales und des Drau- tales bis zu den Ausstrahlungen der Radstädter Tauernstraße ebenso intensiv wie das Gebiet von Osttirol befruchten wird. Und es ist mit Sicherheit damit zu rechnen, daß der verstärkte Strom der Gäste über die Felbertauernstraße in einer nicht geringeren Intensität auch den Kärntner Seen zustreben wird als über eine Nord-Süd-Verbindung bei Mallnitz. Diese Überzeugung ist umso berechtigter, als die meisten Gäste ihre Ferienreisen und ihren Erholungsort schon lange vor dem Eintritt der Ferienzeit festlegen und die warmen Kärntner Seen, bei entsprechender Werbung, dieselbe starke Zugkraft auf sie aus- üben werden, wie wenn sie statt durch den Felbertauerntunnel durch einen Straßentunnel bei Mallnitz ins Land kommen würden.

Wenn der Kraftwagenverkehr weiter anschwillt, werden in einigen Jahren auch noch zwischen den Nord-Süd- Verbindungen durch die Zentralalpen Österreichs Verkehrsadern geschaffen werden müssen. Zur Zeit aber würde der Bau des Mallnitz-Tunnels das Kapital aufsplittern und die Rentabilität der großen Investitionen beeinträchtigen. Es wäre daher der österreichischen Volkswirtschaft und im besonderen den Ländern Kärnten und Salzburg am besten gedient, wenn neben dem raschen Bau der Felbertauernstraße eine möglichst baldige Verwirklichung des Projektes einer modernen Verkehrs- und Wirtschaftsader durch den Katschberg und die Radstädter Tauern erstrebt wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung