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Montagekirche Wien X, Kundratstraße

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Die modernen Sozialuntersuchungen zeigen deutlich die Mobilität der heutigen Gesellschaft. Sie beweisen, wie rasch sich Siedlungsschwerpunkte verschieben können und zeigen, wie oft ortsfeste, teure Kirchenbauten nach Stand und Größe ungenügend geplant waren. In vielen Fällen kann bei neuen Ortsteilen noch gar kein definitiver Kirchenstandort angegeben werden. Eine „mobile“ und in der Größe veränderbare Kirche aber, könnte einer mobilen Gesellschaft jeweils angepaßt werden.

Von diesen Überlegungen ausgehend, wurden folgende Forderungen für unsere Montagekirche abgeleitet: Sie soll mindestens zweimal aufgestellt und wieder abgebaut werden können, die Lebensdauer des Leichtbaues soll mindestens 40 Jahre betragen, bei geringsten Erhaltungskosten. Zur Aufstellung sollen keine großen Erdbewegungen notwendig sein und die Fundamente sollen das geringste Ausmaß annehmen (da sie ja das einzige sind, was nach dem Abtragen zurückgelassen werden muß). Jeder Teil des zerlegbaren Hauses soll leicht handbar und transportierbar sein, ein Baugrundelement kann innen sowohl als Kirchenraum als auch als Priesterwohnung, Pfarrheim und dergleichen adaptiert werden. Jeweils mehrere Baugrundelemente können zu einer Vergrößerung des Kirchenraumes oder zur Komplettierung der Seelsorgestation in verschiedenster Form verwendet werden. Der Preis solcher gediegener provisorischer Kirchen (oder Interims-Kirchen wie sie Otto Wagner 1905 nannte) hegt bei größerer Serie unter dem Preis ortsfester Bauten. Man kann sofort in allen seelsorgerischen Notstandsgebieten wenigstens einen Kulturraum und ein Jugendzentrum schaffen. Wächst die Gemeinde, kann sie dann zur Mithilfe an einem definitiven Kirchenbau erzogen werden. Als nicht definitives Gebäude wird es nach den Baugesetzen weniger streng behandelt, so daß Grundstücke, die weder der Größe noch der Form nach mit definitiven Gebäuden bebaut werden dürften, sofort ausgenützt werden können (siehe erste Anlage in der Siemensstraße). Die Forderungen wurden wie folgt zu verwirklichen versucht:

In einer stützenfreien Halle von 15X15 m sind Altarraum (Mensa, Vorsitz und Wortverkündigung), Nebeneinrichtungen (Aussprache, Sakramentsaufbewahrung, Sakristei und Installationszentrum), die Zugänge (Aufschließung) und 250 Sitzplätze (mit Knie- und Sitzbänken) untergebracht.

Holz als Baustoff stand fest. Nachdem die erste Montagekirche (Siemensstraße) in Stahl ausgeführt wurde, galt es, die Verwendbarkeit von Holz zu untersuchen. Die Stützweite von 15 m ist mit Holz problemlos zu überwinden (Binderhöhe 1,25 m). Das Gewicht der Balken (1400 kg) und Deckenelemente (3Rf> kg) ist so gering, daß die Balken mittels Autokrans montiert werden können. Der Transport vom Werk zur Baustelle ist bei dieser Länge (15 m) noch gut möglich. Da es nicht in jedem Fall vorauszusehen ist, wie rasch die Gemeinde wachsen wird, ist entsprechend viel Raum für Stehplätze vorgesehen. Ein niedriger Umgang (2,50 m — Hauptraum 5 m) übernimmt diese Funktion. Ein umlaufendes Oberlicht entsteht zwischen Haupt- und Sekundärbalken und leuchtet den Raum heil aus. Der Umgang bleibt im Dunkel. Hier ist auch an solche gedacht, die die Schwelle nicht überschreiten und anonym bleiben wollen. In dieser Zone ist auch die eventuelle Erweiterung möglich (sternförmig, T-Förmig oder links und rechts), als Ergänzung zum Hauptraum: Priesterwohnung, Unterrichtsraum, Kindergarten, Hort, je nach Bedarf. Die durch Stellwände gebildeten Räume im Hauptraum würden auf Sakristei und Installationszentrum reduziert werden und stünden für zusätzliche Sitzplätze (60) zur Verfügung. Die Außenwände können wieder verwendet werden.

Für die Fertigung in der Fabrik wurde eine Woche, für die Fundamente eine Woche, für das Aufstellen der Konstruktion (verschraubt) eine Woche, für die Komplettierung vier Wochen; für die Gesamtherstellung wurden also sieben Wochen benötigt. Nach einem Abbau sollen nur die Fundamente zurückgelassen werden.

Daß diese Seelsorgestationen nur in den seltensten Fällen mit einer Priesterwohnung versehen sein werden (Filialkirchen), also auch nicht immer beaufsichtigt sein können, wurde insoferne berücksichtigt, als das Gebäude nach außen vollkommen abgeschlossen ist. Das bietet auch Schutz vor Störungen durch Lärm und Verkehr. Die Heizung besteht aus einer Elektrobankheizung, Be- und Entlüftung besorgen vier Elektroventilatoren und vier Kippflügel.

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