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Neue Baukultur

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Kaum eine andere Bauform war in der letzten Zeit einem solchen Wandel unterworfen wie der Industriebau. Die rasante Entwicklung der Technik hat dazu geführt, daß die meisten Unternehmen heute viel zu viel Reserveflächen besitzen. Noch in den siebziger Jahren hatte man Expansion auch automatisch mit Flächenzuwachs gleichsetzen können, heute erkennt man, daß maschinelle Fertigung immer weniger Raum braucht. Außerdem sind Industrie und Dienstleistungssektor oft nicht mehr zu trennen, weshalb sich bautenmäßig meistens Mischformen bilden.

Christoph Achammer, der sein AT Architekten und Ingenieure Büro ursprünglich 1951 als reines Architekturbüro gründete, arbeitet nun vor allem in Unternehmenslogistik, Generalplanung, Bau- und Projektmanagement. Er charakterisiert die Markttendenzen so: Mußte man in den fünfziger und sechziger Jahren vor allem an Bauvolumen nachholen, so standen die siebziger Jahre im Zeichen der Perfektion des technischen Elements. Sowohl bei Produkten wie auch bei den Produktionsstätten herrschte ein verdrängungs-orientierter Wettbewerb vor.

Ausnahmen bildeten Unternehmen im romanischen Raum, wo aufgrund der Familienunternehmungen schon damals auf wenige hoch-klassige Produkte und eine Identität

„Mystische”

Kriterien - zufriedene Menschen oder Umwegrentabilität - werden neuerdings in die Planung einbezogen.

der Produktionsstätte gesetzt wurde. Für die Auftraggeber von Achammer, Tritthart & Partner stand größte Terminoptimierung beim Bau-und Produktionsprozeß im Vordergrund. Achsraster, abgestimmt auf das Euro-Palettenmaß, Fertigteiltechnologie und geschäumte Sand-wichkonstruktionen wurden optimiert und führten zu Baubedarfsperspektiven von bis zu 20 Jahren. Ende der siebziger Jahre erfolgte der Umbruch, der Industriearchitektur wieder zu einem wesentlichen Teilbereich der Architektur machte. Die harmonische Dreiheit von Form, Funktion und Konstruktion führte die Baukultur wieder zu einer Ebene zurück, auf der sie nicht nur durch vereinzelte Spitzenleistungen glänzt.

Auch in die Planung von Industriebauten sind mittlerweile, neben dem Rechenstift, „mystische” Kriterien, wie die der Architektur oder des zufriedenen Menschen eingeflossen. Man beginnt, auch die Umwegrentabilität in die Planung einzube-ziehen. Werden Erlebnisinhalte in Wohn-, Freizeit- und Einkaufswelt

schon längst durch Architektur vermittelt, geschieht diese Entwicklung in der Arbeitswelt erst jetzt. Für Achammer, Tritthart & Partner, die die Maschinenfabrik Engel/St. Valentin, die Eisenhalle Köllensper-ger/Thaur, das Metall werk Plan-see/Reutte, die Lebensmittelwerke Mölk/Völs und vieles andere geplant haben, bedeutet dies eine verstärkte Hinwendung zu gestalterischen Problemlösungen.

Stadt als Netzwerk

Die Architekten Marschalek & Lad-stätter, die das Verpackungswerk in Albern gebaut haben, gewinnen dem Industriebau vor allem in der Planungsphase viel ab. Baurat Heinz Marschalek sieht darin vor allem eine Horizonterweiterung durch die Arbeit mit vielen verschiedenen Leuten. Im Industriebau soll ohne Rücksicht auf modische Tendenzen ein Gebäude entworfen werden, das einem raschen Wandel unterworfen ist.

Sein Verpackungswerk in Albern erfüllt nun, nach einigen Jahren, trotz veränderter Maschinenausstattung, immer noch seine Funktion. Mittlerweile ist Abwärmenutzung das Schlagwort der nächsten Generation, zusätzliche Geräte und neue Technologien werden wieder Platz brauchen. Die Anlage für die Firma Meinl/Kösslin in der Alban Kurt Straße im 23. Wiener Bezirk, die Abfälle von Meinl und Pampam vernichtet, konnte durch eine Nutzung der Abwärme und Verbrennungs-

energie sogar der Stadt Wien im Winter Strom liefern.

Ganz andere Wege geht da die COOP Himmelblau, die den Funder Werken in Kärnten ein oft publiziertes Stück Image verpaßt haben. In der Arbeit für einen Wettbewerb denken sie weiter: sie sind weniger von der Technologie der Industriebauten, sondern der Idee der Nutzung fasziniert. So sehen die Architekten die großen, weißen, leeren, ökonomisch errichteten Hallen als ruhendes städtisches Potential, das man sowohl vom Inhalt als auch von

der Form her verschieden nutzen könnte. Für die Satellitenstadt Me-lun-Senart bei Paris hat COOP Himmelblau für seine Idee des Loftge-bäudes, das als Netzstruktur für die ganze Stadt dienen kann, den ersten Preis gewonnen.

Wa'n allerdings Industriebauten so weit sein werden, „die Stadt dorthin zu bringen, wo wir sie alle sehen wollen, nämlich nicht als geplantes Gefüge, sondern als ein sich selbst planendes Netz von Möglichkeiten” steht bisher nur im Wettbewerbsbeitrag.

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