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Mannheim 67

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Knapp vor der VII. Internationalen Filmwissenschaftlichen Woche in Wien fand in der deutschen Bundesrepublik, in Mannheim, eine Filmveranstaltung statt, bei der es zumindest zioei Berührungspunkte mit Wien gab, die aber beide Höhepunkte der ausgewählt festlichen Programme darstellten: der eine war die Vorführung des 1937 begonnenen Filme* von Josef von Sternberg „I Claudius“, der leider ein Fragment geblieben ist, der zweite die Anwesenheit diese großen Regisseurs selbst, der — nach seiner vorjährigen Retrospektive in Mannheim — in diesem Jahr als Ehrenpräsident der internationalen Jury fungierte und damit der „XVI. Internationalen Filmwoche in Mannheim 1967“ ein besonderes Glanzlicht aufsetzte — Glanzlichter, die man ansonsten im Angebot der vorgeführten Filme leider vermissen mußte... Und das, obwohl (oder vielleicht gerade deswegen?) diese Woche einen für Mannheim neuen Rekord aufstellte:

insgesamt konkurrierten im Wettbewerb in diesem Jahr 47 Filme miteinander, es fanden innerhalb von sechs Tagen im Festspielkino „Scäla“ gezählte 38 Veranstaltungen statt (das bedeutet pro Tag etwas mehr als sechs Vorführungen von jeweils über zweistündiger Dauer!), die von mehr als 20.000 Besuchern frequentiert wurden.

Die Bilanz ist alles andere als positiv, denn der Kurzfilm scheint sich im Moment, noch mehr fast als der abendfüllende Spielfilm (kommerzieller Natur), in einer Krise zu befinden. Mannheim war ursprünglich als Festwochenstadt zur Übersicht über den Kurzfilm konzipiert, ein Charakter, den dieses liebenswürdige und hervorragend organisierte Festival leider seit etwa zwei Jahren immer mehr und mehr zu verlieren scheint — was nicht an den Veranstaltern liegt, sondern an der Situation des Kurzfilms selbst. Denn es gibt kaum noch einen echten und wirklichen Kurzfilm — Filme von zehn bis zwölf Minuten, die richtige und bestens erprobte Kurzfilmlänge bilden nur noch Ausnahmen —, da sich eine Produktion für den Kinoverleih allein heute schon zu teuer stellt und eigentlich nur noch das Fernsehen als wichtiger Abnehmer dieser Filmgattung in Frage kommt; die Television aber fängt (warum eigentlich?) mit so kurzen Filmstückchen angeblich nichts an — um gezeigt zu werden, muß zumindest eine Länge von fast einer halben Stunde, meist auch darüber, erreicht werden. Das wieder überschreitet gewöhnlich die Idee eines Kurzfilms, der eben wie eine Kurzgeschichte auf einer kurzen, gagartigen Handlung oder Pointe aufgebaut ist.

So kommen die Kurzfilmmacher zu dem Zwang, ihre kurzen Ideen auf eine Überlange auszuwalzen — was den Tod des Films bedeutet, denn er langweilt. Und die zweite Möglichkeit, die noch beliebtere weil noch billigere, ist die Herstellung einer „Dokumentation“, icobei der vom Film her schon unglückliche Begriff des „Cinema vkriti“ infolge seiner Simplizität anscheinend für das Fernsehen besonders geeignet erscheint. Das Ergebnis sind ermüdende Interviews und Reportagen.

Um diese Entwicklung des Kurzfilms im Jahre 1967 mitzuerleben, war die Mannheimer Filmwoche zweifellos das beste Studienobjekt. Und in der Ermüdung dieses totalen Fernsehsieges über das Kino gingen viele Werke unter, die es verdient hätten, mit wacheren Augen aufgenommen zu werden. So hielt man sich eben an den „Erstlingswerken“ schadlos, die neben filmischer Frische und Spontaneität noch eine Handlung aufwiesen, der zu folgen auch ermüdete Zuschauer noch imstande waren — so an dem slowakischen Spielfilm „Das Christusalter“ des 30jährigen Jurai Jakubisko aus Bratislava (der den Hauptpreis nur deswegen nicht erhielt, weil es doch undenkbar erschien, daß ein Land fünf Jahre hintereinander den großen Preis davontragen dürfte!), an Pierre Koralniks modernes Musical „Anna“ (Frankreich), an Luc de Heuschs (Belgien) „Jeudi on chantera comme dimanche“, an den etwas uneinheitlichen jugoslawischen Spielfilmerstling „Die Festung der Halbstarken“ von Joze Pogacnik, an Robert Carl Cohens mitreißend-hektische Entlarvung der Traumfabrik „Mondo Hollywood“ (USA) und an „David Holzman's Tagebuch“ von James McBride (New York), ein Film über die Probleme eines jungen Filmschöpfers, der schließlich mit dem „Großen Preis“ von Mannheim (10.000 DM) ausgezeichnet wurde, weil er „von den Grundelementen des Films ausgeht und eine neue, frische Welt schafft“, wie die offizielle Begründung der Jury formuliert war.

Eine neue, frische Welt — toie sehr hat man dies heuer in Mannheim in den Filmen vermißt! Die (zumeist jungen) Kurzfilmschöpfer sollten mit wachen Augen um sich herumblicken, um mehr von dieser Welt einzufangen und wiederzugeben — Themen liegen genug herum ... Wenn Mannheim dies bewerkstelligt haben sollte, hat sich die Filmwoche ge-lohnt.

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