Magyarázat mindenre – Explanation for Everything, Gábor Reisz - © Foto: Viennale

Viennale: Weitläufige Wiener Melange

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Die Viennale präsentiert wieder eine feine Auswahl des jüngsten Filmschaffens. Das Spektrum des Wiener Festivals reicht von seltenen Kunstkino-Schätzen bis zu großen Produktionen mit Starbesetzung.

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Ein Schüler fällt bei der Maturaprüfung in Geschichte durch, weil seine Gedanken vor allem um eine heiß begehrte Mitschülerin kreisen. Dem streng konservativen Vater gegenüber behauptet der an Politik uninteressierte Junge jedoch, sein linksliberaler Lehrer habe ihn aus politischen Gründen durchsausen lassen. Als der Vater die vermeintliche Ungerechtigkeit einem rechtskonservativen Journalisten zusteckt, wird aus der verpatzten Prüfung eine landesweite Affäre. Der Film „Magyarázat mindenre – Explanation for Everything“ des ungarischen Regisseurs Gábor Reisz zeigt, wie in einer politisch gespaltenen Gesellschaft – und das von Viktor Orbán autoritär regierte Ungarn ist eine solche – durch Empörungsmechanismen aus einer kleinen Mücke ein veritabler Elefant wird.

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Obwohl der Film durchaus regierungskritisch gesehen werden kann, schlägt sich der Regisseur nicht auf eine Seite, sondern zeigt Verständnis und Empathie sowohl für die Protagonisten aus dem regierenden rechten als auch dem oppositionellen linken Lager. „Magyarázat mindenre“ ist der Eröffnungsfilm der Viennale 2023, die am 19. Oktober startet.

Im Zentrum der Retrospektive steht die neu restaurierte Fassung eines Meisterwerkes aus dem Jahr 1981, das in Österreich Jahrzehnte unter Verschluss war.

Das Wiener Filmfestival präsentiert wie immer einen breit gefächerten Auszug des jüngsten weltweiten Filmschaffens. Das Spektrum reicht von schwer verdaulichem Kunstkino, das zu sehen die Viennale eine in Österreich einmalige Gelegenheit bietet, bis hin zu großen Produktionen mit Starbesetzung, die wohl bald auch regulär im Kino anlaufen werden. Zu dieser Kategorie zählen etwa der Gewinner der diesjährigen Goldenen Palme in Cannes „Anatomie d‘une chute“ (Regie: Justine Triet), die US-Produktion „She Came to me“ (Regie: Rebecca Miller) mit Peter Dinklage, Marisa Tomei und Anne Hathaway, oder „Coup de chance“, der neue Film von Woody Allen, der ja bei Teilen des Publikums in Ungnade gefallen ist.

Gleich mit zwei neuen Filmen ist Wim Wenders vertreten: „Anselm – Das Rauschen der Zeit“ und „Perfect Days“. Yorgos Lanthimos greift in seinem bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneten Streifen „Poor Things“ (mit Emma Stone, Mark Ruffalo und Willem Dafoe) das Frankenstein-Motiv auf – ein Stoff, der interessanterweise auch einem zweiten bei der Viennale gezeigten Film zugrunde liegt: „Birth/Rebirth“ von Regisseurin Laura Moss.

Der österreichische Film ist bei der Viennale mit mehr als 20 Arbeiten vertreten, inklusive Kurzfilmen (u. a. von Sasha Pirker) und internationaler Koproduktionen. In Jessica Hausners neuem Film „Club Zero“ geht es um eine Lehrerin (Mia Wasikowska) an einer englischen Privatschule, die ihre Schülerinnen mit ihrem Streben nach bewusster Ernährung konsequent in die Essstörung treibt. Nikolaus Geyrhalter zeigt in seinem Dokumentarfilm „Stillstand“ eindringliche Bilder aus der ersten Phase der Corona-Pandemie: verwaiste Straßen, leere Tramways, aber auch provisorische medizinische Einrichtungen und die täglichen TV-Meldungen über die aktuelle Zahl der Todesopfer. Sehr wienerisch wird es in „Rickerl“: Unter der Regie von Adrian Goiginger schlägt sich ein erfolgloser Musiker, verkörpert von niemand anderem als Voodoo Jürgens, durch sein potschertes Leben.

Vorliebe für Außenseiter

Die Retrospektive in Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv Austria ist dem österreichischen Film der 1980er-Jahre gewidmet. Nachdem in Österreich 1981 die staatliche Filmförderung etabliert wurde, entstand eine neue Filmkultur, die stark von einer „No future“-Stimmung geprägt war und deren Blick sich mit Vorliebe auf gesellschaftliche Außenseiter richtete. Im Zentrum steht die neu restaurierte Fassung eines Meisterwerkes aus dem Jahr 1981, das in Österreich Jahrzehnte unter Verschluss war, aber im Ausland unter Genre-Liebhabern als Kultklassiker gilt: „Angst“ von Gerald Kargl (1981) war filmisch und thematisch seiner Zeit weit voraus. In dem verstörenden, grandios gespielten Psychothriller geht es um einen Serienkiller, der unmittelbar nach seiner Haftentlassung seine nächsten Morde begeht. In „Ich oder Du“ (Dieter Berner, 1984) wiederum glänzt der damalige New-Wave-Musiker Hansi Lang in einer Rolle als Rocksänger auf dem Weg in die Selbstzerstörung.

Der Beginn der Militärdiktatur in Chile jährt sich heuer zum 50. Mal. Unter dem Titel „Widerstand, Erinnerung, Neuerfindung“ widmet die Viennale daher dem chilenischen Kino einen Schwerpunkt, in das sich die Schreckensherrschaft unter Augusto Pinochet (1973 bis 1990) als Konstante eingeschrieben hat. Auch die Retrospektive im Wiener Filmmuseum steht im Zeichen eines (exil-)chilenischen Regisseurs: Raúl Ruiz.

Filmfestival Viennale 2023
19. bis 31. Oktober,
www.viennale.at

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