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Ein Denkmal der schönen Wienerin

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Von den Bildern Moritz von Schwinds im Foyer der Wiener Staatsoper stellt eines, das er mit besonderer Liebe entworfen hat, eine Szene aus der Oper „Doktor und Apotheker“ von Ditters von Dittersdorf dar. Trotz dem Xanthippengesicht der Apothekerin und dem ein wenig ängstlich-verlegenen Ausdruck ihrer Tochter, die einem ungeliebten Freier, dem bramarbasierenden Hauptmann Sturmwald, gegenübersitzt, strömt dieses urgemüt- \ liehe Bild idyllischen Bürgerlebens in der theresianischen Zeit jenes tiefe Behagen aus, von dem auch die dargestellte Eingangsszene erfüllt ist, die mit dem Quintett beginnt:

„O wie herrlich! O wie labend Ist auf einen heißen Tag So ein schöner kühler Abend, Wo man sich erholen mag.“

Die anziehendste Gestalt des Bildes ist das Töchterlein des Apothekers, ein hübsches molliges Mädchen von sittsamer Haltung, auf dem Kopf eine schöne Haube in der typischen Wiener Goldhaubenform der damaligen Zeit.

Merkwürdigerweise mußte Schwind bis zum Kaiser gehen, um diesem Bild einen Platz in der Wiener Oper zu erwirken. Hierüber erzählt uns W. H. R i e h 1 in seinen Erinnerungen an den Meister folgende Einzelheiten:

„Die für die Ausschmückung des Opernhauses zuständige Kommission hatte für das Foyer unter anderem auch ein Bellini gewidmetes Bild vorgesehen, während Schwind dieses gern durch Dittersdorf ersetzt gesehen hätte. Da er seinen Wunsdi bei der Kommission nicht durchsetzen konnte, benützte er eine Audienz beim Kaiser, um diesem aufs wärmste vorzustellen, wie viel passender es doch wäre, den Altmeister der deutschen komischen Oper an die Stelle Bellinis zu setzen. Der Kaiser nahm seine Worte wohlwollend und mit zustimmenden Bemerkungen entgegen. Das freute Schwind sehr, doch befürchtete er, die Herren von der Kommission würden ihm entgegenhalten, daß eine im Gespräch hingeworfene höfliche Zustimmung noch lange kein Befehl sei. Wie konnte er sich sichern? Da erblickte er auf dem Tisch ein Tintenfaß. Sofort ergriff er die Feder, rauchte sie ein, reichte sie dem Kaiser und sprach: „Möchten doch Eure Majestät geruhen, Ihre soeben ausgesprochene Willens-meinung hier auf dem Plan der Bilderfolge nur mit einem Worte einzutragen.“ Der Kaiser nahm lächelnd die Feder, strich den Namen BeUini aus und schrieb darunter: „Statt dieses — Dittersdorf.“ Nun hatte Schwind gewonnen. Jubelnd eilte er zur Kommission, zeigte ihr den allerhöchsten Befehl und Dittersdorf war gerettet.

Was mag wohl der Grund gewesen sein, daß Schwind so viel daran gelegen war, ein Bild zu „Doktor und Apotheker“ in der Wiener Oper unterzubringen? Bisher hat man den Grund immer hauptsächlich darin gesehen, daß Schwind die heimische Musik nicht zugunsten der fremdländischen zurückgesetzt sehen wollte. Aber Bilder zu Opern von ßoieldieu, Cherubini, Rossini und Spontini hat Schwind widerspruchslos gemalt und doch hätte man ja auch an die Stelle eines dieser Komponisten zum Beispiel Konradin Kreutzer mit seinem damals noch sehr berühmten „Nachtlager von Granada“ setzen können. Oder wäre zum Beispiel nicht auch Otto Nicolai, der Begründer der Philharmonischen Konzerte in Wien und gleich Konradin Kreutzer durch viele Jahre Dirigent am Kärntnertor-Theater, würdig gewesen, durch ein Bild aus den „Lustigen Weibern“ in der Oper ein Denkmal zu erhalten? Es muß also doch wohl einen besonderen Grund gegeben haben, warum Schwind gerade auf das ihm vorschwebende Bild zu „Doktor und Apotheker“ so großen Wert legte. Zum Teil lag es gewiß einfach daran, daß er Dittersdorf liebte, während er nach Riehl „kein besonderer Freund der Norma“ war. Aber es gab noch einen anderen und vermutlich gewichtigeren Grund, der aus dem folgenden der Öffentlichkeit bisher unbekannten Brief Moritz von Schwinds an seine beiden Brüder August und Franz hervorgeht:

„Mündien, \6. Febr. 1866

Liebster Gustl, Excellenz!

Da ihr eigentlich beide nichts Ordentliches Mi tun habt, denn das bißl Kanzlei vom Franzi will nicht viel bedeuten, werdet ihr mir sehr dankbar sein, wenn ich euch in eine historisch-künstlerisch-h;raldische Tätigkeit versetze. Es handelt sich um nichts Geringeres als eine reiche Haubn, und zwar von etwas älterem Datum, als wir sie noch gesehen haben. Etwa um 1760—70. Es soll oder braucht nicht die Hauben selber zu sein, sondern nur eine möglichst profilige Abbildung, Contur, Durchzeichnung, Kupferstich, Kreuzerbildl, Porträt aus einem Bürgerhaus, Porzellanfigur, Münze, Holzschnitt, Sdiattenriß oder lebzeltene Figur. In jenem Gassi ') war meiner Zeit ein Lebzelter oder Metladen, an dessen Ladentür ein Bild hing mit einer Gesellschaft ziemlich aus der gewünschten Zeit. Die reiche Haubn fehlte nicht daran. Nötigenfalls ist der historische Verein aufzubieten oder die Reichs-Altertums-Kommission oder die Schatzkammer oder ein Maskengewölb oder eine Theatergarderobe oder der Tandelmarkt, lauter für eine gelehrte Excellenz oder sonstigen Patrioten höchst einladende und genußreiche Gegenden. Wenn ihr übrigens meint, das seien Possen, so ist der Irrtum himmelschreiend. Wenn eine geschiditliche Persönlichkeit Wiens, ich könnte sagen wenn die tiefgreifendste, eingewurzelste und wichtigste Persönlichkeit Wiens eine künstlerische Behandlung verdient, fordert und glänzendst belohnen wird, wer kann es anders sein als jene schöne Nannerl, in die ganz Wien seit Mensdiengedenken verliebt war, der zu Ehren sämtliche Feuerwerke brannten, der zu Ehren tausend Naditmusiken säuselten, die weiß Gott der alte tabaknasige Pater Werner *) ansonettierte. Und diese reizende Person sollte nicht im Foyer des Opernhauses sitzen? Was? Alle die Leonoren, Armiden, Paminen und Susannen und Rosinen sind nichts gegen ein Nannerl mit einer reichen Hauben. Wer ist schöner als die schöne Wienerin! Also macht euch auf die Beine und leistet etwas, was der Mühe wert ist! Tut etwas zur Ehre der Stadt Wien! Schau

') Nach der dem Brief beigefügten Skizze die Verbindungsgasse zwischen Judenplatz und Tuchlauben.

*) Gemeint ist wohl Zacharias Werner, der Verfasser der Schicksalstragödie „24. Februar.“

den Grafen Salm an, den tapferen Rüdiger von Starhemberg! Was haben sie ge|en die verfluchten Türkenwascheln verteidigt? Die schönen Nannerln. Für wen hat Kaiser Josef den Augarten eröffnet? Für die schönen Nannerln. Den Prater? Für die schönen Nannerln. Für wen haben Mozart, Beethoven, Grill-parzer und alle ehrlichen Wiener geschwärmt, wen haben sie geheiratet? Alles schöne Nannerln.

Dein alter Moritz“

Mehr alsein Ritter des „schönen Nannerls“ also, denn zu Ehren des von ihm gewiß hochgeschätzten Altmeisters Dittersdorf hat Moritz von Schwind zuerst vor der zuständigen Kommission und dann vor dem Kaiser für „Doktor und Apotheker“ eine Lanze gebrochen. Er tat es, um in der Gestalt der Apothekerstochter, gekrönt mit der „reichen Haubn“, dem „schönen Nannerl“, der idealen Wienerin, ein, Denkmal zu setzen. Aber die Wienerinnen und Wiener haben es bisher nicht gewußt. Denn wenn auch jener Brief schon damals das Entzücken der Empfänger erregt hat, haben sie es anscheinend doch unterlassen, ihn zu veröffentlichen. Sonst hätte er wohl nicht, ohne in der Schwind-Lireratur auch nur eine Spur zu hinterlassen, wieder völUg in Vergessenheit geraten können. Am 14. März 1866 schrieb der Meis er an seinen Bruder Franz: „Liebster Franzi! Bedanke mich allerschöpstens für d;e reichen Hauben. Ihr seid i'ti :ehr dankbares Publikum für närrische Briefe. Das muß man sagen.' Der kucce Kt.$tl tut, als hätte er etwas ganz Besonieres bekrwimen! Fehlt nicht viel, ihr ließt .o Zsug drucken.“

Wie schon erwähnt, scher nt di-s Totzdem nicht gesdiehen zu sein. Htute, 80 Janre späte, ist '.* wohl nicht mehr v . fruh an der Zeit, es -.achzuholen.

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