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Moskau - Tokio - London

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Ein Menschenalter nach dem Untergang des wilhelminischen Kaisertums hat Hitler mit Strick und Fallbeil das ihm widerstrebende alte kaiserlich-diplomatische Korps liquidiert, dessen beruflicher Hingebung und Sachkenntnis die Kanzler der Weimarer Republik von Ebert bis Stresemann einen guten Teil ihrer außenpolitischen Erfolge zu verdanken hatten. Was Hitler übrig ließ, verschlang zum großen Teil das Chaos des Jahres 1945. Zu den nicht zahlreichen prominenten Uberlebenden gehört der frühere deutsche Botschafter in Moskau, Tokio und London, Herbert von Dirksen. Persona ingrata bei Hitler, wurde Dirksen schon 1933 nach Tokio abgeschoben und sollte in London 1938/1939 nur mehr eine beruhigende, konservative Fassade vortäuschen helfen. Hitler konnte Dirksen in der Ostpolitik nicht brauchen, in der dieser durch fünfzehn Jahre gearbeitet hatte und die er von Grund auf beherrschte. Naturgemäß hat Dirksen in seinem Erinnerungsbuch gerade über dieses Gebiet die interessantesten Aussagen zu machen: über die deutsche Weltkriegspolitik im Osten, die Entwicklung der Beziehungen zum neuen Polen, über die Genesis des Vertrages von Rapallo, der der Initiative des Leiters der deutschen Ostabteilung, Baron Maltzan (nicht jener Rathenaus), entsprungen war. (Räthenau, .ein überzeugter Westler“, konnte nur mit Mühe zu diesem Abkommen beredet Verden, das heute allgemein mit seinem Namen verbunden wird.) Dirksen inspiriert und fördert die Politik einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Rußland, des Aufbaues der sowjetischen Industrie durch (zeitweise bis 5000) deutsche Techniker. Im Lichte der späteren Entwicklung wird diese Politik wohl anders beurteilt werden, als zu jener Zeit, da sie — im Wettstreit mit dem Westen — ins Werk gesetzt wurde. Ohne die verhängnisvolle „Vierte Teilung Polens“ Hitlers hätten sich ihre Auswirkungen aber voraussichtlich in einem mit den Interessen Zentraleuropas vereinbarten Rahmen halten lassen können.

Eine konstruktive und pflichtbewußte Persönlichkeit spricht aus diesen Erinnerungen, die auch das Kabinettsstüdc der Charakter-zeidinung eines der letzten Diplomaten der großen mitteleuropäischen Schule enthaltendes Botschafters Grafen Brockdorff-Rantzau.

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