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Pioniere im Gran Chaco

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Aus Estigarrlbia im Gran Chaco von Paraguay geht der „Furche” von einem Freunde des Blattes ein Bericht zu, der in seiner nüchternen Sachlichkeit eine eindrucksvolle Vorstellung von der Größe und Schwere der Aufgaben vermittelt, die in diesem Tiefland des nördlichen La-Plata-Stromgebietes dem christlichen Kulturpionier gesetzt sind. Der Gran Chaco, diese ungeheure, fast 300.000’ Quadratkilometer bedeckende, von vielen Wasseradern, subtropischen Wäldern, fruchtbaren Böden, Salzsteppen durchzogene Ebene, wegen ihrer zumeist noch unbehobenen Schätze unter den Nachbarn vlelumstritten, gehört heute zu Argentinien, Paraguay und Bolivien; noch heute verlaufen die Grenzen zwischen den letzteren beiden Staaten unsicher, und weite Landstriche, von indianischen Jägervölkern bewohnt, sind kaum erschlossen. Aus dem um den 2 5. Breiiegrad liegenden Gebiet von Paraguay stammt dir nachstehende, vom 8. Jänner 1948 datierte Bericht!

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Aus Estigarrlbia im Gran Chaco von Paraguay geht der „Furche” von einem Freunde des Blattes ein Bericht zu, der in seiner nüchternen Sachlichkeit eine eindrucksvolle Vorstellung von der Größe und Schwere der Aufgaben vermittelt, die in diesem Tiefland des nördlichen La-Plata-Stromgebietes dem christlichen Kulturpionier gesetzt sind. Der Gran Chaco, diese ungeheure, fast 300.000’ Quadratkilometer bedeckende, von vielen Wasseradern, subtropischen Wäldern, fruchtbaren Böden, Salzsteppen durchzogene Ebene, wegen ihrer zumeist noch unbehobenen Schätze unter den Nachbarn vlelumstritten, gehört heute zu Argentinien, Paraguay und Bolivien; noch heute verlaufen die Grenzen zwischen den letzteren beiden Staaten unsicher, und weite Landstriche, von indianischen Jägervölkern bewohnt, sind kaum erschlossen. Aus dem um den 2 5. Breiiegrad liegenden Gebiet von Paraguay stammt dir nachstehende, vom 8. Jänner 1948 datierte Bericht!

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Im Jahre 1925 erhielt die deutsche Provinz der Oblaten der Unbefleckten Empfängnis Mariä von der Propaganda Fidei den Auftrag, in Südamerika unter den Indianern am Pilkomayo eine Mission zu errichten. Der Pilkomayo, der aus den Randgebirgen der Königskordillieren dem Paraguay zuströmt, ist einer der größten Zubringer des La Plata. Noch im gleichen Jahre reisten drei Patres und zwei Brüder nach Südamerika ab, um die Gründungsarbeiten zu beginnen. Ihre Niederlassung begannen sie in Esteros, an einem bolivianischen, weit in die Einöden des Gran Chaco vorgeschobenen Militärposten. Mehrere hundert Kilometer von der Endstation einer aus Brasilien heraufkommenden Eisenbahnlinie entfernt, konnte die Station nur mit größter Bescheidenheit eingerichtet werden. Die in diesem Landstrich ansässigen Indianer gehören dem Stamme der Chulupies an, einem Jägervolke, das vor zwanzig Jahren noch lebte, so wie es wahrscheinlich ąuch vor 1000 oder 2000 Jahren gelebt hatte. Bevor an irgendeine Missionierung unter diesen Wilden zu denken war, mußte zu diesen scheuen Naturkindern, die mißtrauisch bis zur Feindseligkeit waren, erst eine Brücke gewonnen werden. Vor allem mußte man mit ihnen reden können. Mit Hilfe jron Indianern, die ein wenig spanisch radebrechen, wurde zuerst an das Studium und Erlernung ihrer zuvor noch unerforschten Sprache gegangen. Es fehlte dafür bisher jede Voraussetzung. Vom Primitivsten her mußte in Wörtbestand und Grammatik eingedrungen werden. Das Klima setzte den Ankömmlingen arg zu. Der erste Präfekt mußte bald aus Gesundheitsrücksichten abdanken, ein anderer Pater erkrankte infolge der Strapazen, mußte nach Deutschland zurückgebracht werden und starb dort nach einigen Jahren, das erste Opfer der Pilkomayo-Mission. Die Nachfolgerschaft des ersten Präfekten übernahm Pater Heinrich Breuer, der, unterstützt von einem Pater und den zwei Laienbrüdern, tapfer den Kampf gegen alle Widrigkeiten fortführte. Er brachte es, als noch ei Ordensbruder zu Hilfe kam, sogar zustande, eine zweite Station zu gründen. Bis zum Jahre 1931 war es mit unendlicher Mühe gelungen, im Urwald für das Missionspersonal eine einigermaßen wohnliche Stätte zu schaffen. Da brach eine riesige Überschwemmung herein, die auf weite Strecken alles Land überflutete. Die ganze Niederlassung, die mit so viel Opfern und so viel Tapferkeit aufgebaut worden war, wurde vernichtet. Nur das Wenigste konnte gerettet werden. Man fing von neuem an, diesmal weiter von dem tückischen Strome entfernt. Jahrelang wohnten fortan Patres und Brüder in Blechbuden, die sie sich aus gerettetem Wellblech der zerstörten Station errichtet hatten. Man hatte ein Stück Urwald gerodet, für die neue Station Raum geschaffen und den Bau in Gang gebracht, als zwischen Paraguay und Bolivien der Krieg um den Gran Chaco ausbrach. Da bisher zu Bolivien gehörige Land um die Mission gelangte nun an das siegreiche Paraguay. Unter der bolivianischen Herrschaft war Heinrich Breuer von der Regierung zur Abdankung gezwungen worden und an seiner Stelle übernahm als Präfekt Pater Walter Vervoort die Führung der Mission. Das Personal der Station hatte sich inzwischen vermehrt und die Eingeborenensprache war erlernt worden. So ging man nun an die Errichtung von Schulen in beiden Stationen. Nach dem Kriege wanderten in den Chaco von Paraguay die Guaranies ein, Indianer, die mit der Urbevölkerung von Paraguay stammverwandt sind und zum Teil in dem heutigen Mariscal Estigarrihia angesiedelt wurden. Im Jahre 1941 konnte die Missionierung unter diesen Indianern begonnen und dafür zwei Stationen, Imma- culada Concepcion, in Guachalle und Santa Teresita in Estigarribia gegründet werden. 1944 wurde der ganze südliche Teil des Gran Chaco der Präfektur übergeben, e i n Gebiet von rund 160.000 Quadratkilometer. Nach dem heutigen Stand (1. Jänner 1948) zählt die Apostolische Präfektur elf Patres und acht Brüder. Die weiße, 12.000 Seelen zählende Bevölkerung in den Orten Villa Hajes und Monte Sociedad in den südlichen Teilen der Präfektur werden von zw Patres der Oblaten betreut.

Die Christianisierung der Indianer erstreckt sich vorläufig nur auf die beiden Hauptstämme der Chulupies und der Gueranies, noch nicht auf die Macas und Lenguäs. Wie überhaupt der christliche Kulturpionier und Apostel hier nur schrittweise, behutsam und mit großer Geduld und unermüdlichem Fleiß vorwärtskommen kann. Heute nach fast 22 Jahren zählt die Mission unter den Ghulupies nur 46 Christen und 99 Katechumenen. In den Internaten auf den beiden Stationen werden 62 Kinder betreut. Weiter vorgeschritten ist die pau- linische Arbeit unter den Gueranies, unter denen man gegenwärtig 206 Christen und 85 Katechumenen zählt. Die Schulen besuchen 85 Kinder dieses Stammes.

Das große Hindernis für die Entwicklung der Mission ist nicht nur der bescheidene Stand ihres Personals, dessen Zahl nicht entfernt im Verhältnis zur Größe der Aufgabe steht, sondern auch die übergroße Armut dieses weit an die Grenzen der Wildnis vorgeschobenen Postens christlicher Zivilisation und apostolischer Arbeit. Solang das große Deutschland mit seiner Wohlhabenheit und seinem aufgeschlossenen Sinn für die Missionsarbeit über das deutsche Missionswesen der Übersee und so auch über diese weltverlorenen Stationen der Oblaten im Gran Chaco seine schützende und helfende Hand hielt, war in bescheidenen Grenzen für das Notwendigste gesorgt. Auch in der Einsamkeit des Gran Chaco waren die Männer, die hier im Zeichen des Kreuzes kämpften, nicht verlassen. Jetzt ist es ihr schweres Schicksal, entblößt der Hilfe, mit ihrer großen Aufgabe ringen zu müssen.

Es ist zu befürchten, daß die christliche Welt aus sehr bitterer Erkenntnis erfahren wird, was das derzeitige Ausscheiden der großen Hilfeleistungen Deutschlands für die Missionswerke in aller Welt bedeutet. Wer hier an den äußersten Rändern der Zivilisation steht, sorgenvoll ermessend, was die in Europa vor sich gegangenen Veränderungen für den christlichen Aktivismus im Missionsleben besagen, der möchte wünschen, daß diejenigen, die nicht mehr materielle Hilfe bringen können, doch noch immer helfen, den Segen des Allmächtigen für die Sendboten des Evangeliums zu erbitten.

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