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Pioniergeist im Busch

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Sydney, im Dezember

Ein Jahr wirtschaftlidier Krisen und politischer Bedrängnis ist dem in vieler Hinsicht glanzvollen Jahr 1951 hart auf die Fersen gefolgt. Zwölf Monate sind vergangen, seit das australische Volk das goldene Jubiläum seiner Föderation feierte. Ein historisches Ereignis von großer Bedeutung in der Geschichte dieses jungen Kontinents. Erst seit 1901 hat das „Commonwealth Australien“ dem System der Individualstaaten ein Ende bereitet. Vorher beherbergte der Kontinent sechs autarke Staaten, die sich nur durch die gemeinsame Sprache und die in jedem Staat dominierende britische Bevölkerung lose miteinander verbunden fühlten. Die rasche Entwicklung des Landes machte jedoch um die Jahrhundertwende die längst erstrebte Föderation zu einem Gebot der Stunde. Wollte Australien eine wirtschaftlich und politisch in sich gesdrlossene Nation werden, so mußten die Schlagbäume fallen und ein gewisses Maß von Staatsautokratie einem vereinten Australien geopfert werden. Darum ging es, als dem endgültigen Sieg der bundesstaatlichen Verfassung ein langwieriger Kampf der Ideen voraus ging.

Eine der hervorragendsten Persönlichkeiten in diesem Ringen um die Einheit des Landes war der dritte Erzbisdiof von Sydney, Francis Kardinal Moran (1830 bis 1911). Der Kardinal, überzeugt von der unabschätzbaren Bedeutung der Föderation, versäumte keine Gelegenheit, für ihr Zustandekommen zu v/erben; heute ist es allgemein anerkannt, daß seine große Volkstümlichkeit und seine Persönlichkeit den Umschwung herbeizuführen vermochten, um den Politiker vergebens gekämpft hatten. Die These, daß das Wohl des Staates und der Gesellschaft über den Interessen einer bestimmten acnicnte sienen müsse, una aer Christ dem Staate geben soll, was des Staates ist, drang in viele Herzen.

Das Wirken des großen Kirchenfürsten war in mehrfacher Hinsicht fruchtbar; sein unermüdliches Eintreten für das Gemeinwohl des Volkes hinterließ einen heute noch in vielen Kreisen wachgebliebenen Eindruck. Sein Wirken hob die Stellung der katholischen Kirche in dem vorwiegend protestantischen Land wesentlich.

WTie ist es aber überhaupt der katholischen Kirdie gelungen, in Australien Fuß zu fassen, in einer entlegenen, ursprünglich britischen Verbrecherkolonie? 1788, achtzehn Jahre, nachdem Captain Cook den neuen Kontinent besucht hatte, warf die erste Flotte im Hafen von Sydney Anker. Sie barg eine traurige Fracht: Gefangene. Diese australischen „Convicts“ hatten mit Kriminellen im modernen Sinn wenig zu tun. Nach englischem Recht konnte man im 18. Jahrhundert für den Diebstahl eines Hasen oder eines Huhnes zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt werden. Es ist überliefert, daß der Großteil der „Convicts“ geringfügige Verbrechen mit dem harten Los des Zwangsarbeiters büßte.

Es gab aber auch die britisch-irische Rivalität Anlaß zu politischen und religiösen Unruhen im Mutterland und Irland und zog die Verschickung zahlreicher politischer Häftlinge nach sich. Unter diesen befanden sich die ersten drei katholischen Priester, die in Australien eintrafen, Father Dixon, Harold und O'Neill. Den Gefangenenpriestern war es nur im beschränkten Ausmaß möglich, ihr Priesteramt auszuüben, aber das Beispiel ihres aufrechten Mannes- und Christentums gab vielen Verzweifelten und Bedrückten neue Kraft, ihr hartes Los zu ertragen.

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