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Uchatius

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Uchatius! Dieser Name steigt aus jahrelanger Vergessenheit empor, wenn in diesem Jahr das Jahrhundertgedenken des Arsenals begangen wird. Ein schwächliches, mit leicht erregbarer Phantasie begabtes Wesen, wurde Franz Uchatius auch als junger Mann noch von der militärischen Stellungskommission nur mit knapper Not als tauglich befunden. Er war auch das Kind ganz kleiner Leute.. Den untersten soldatischen Anfängen bald entwachsen, trug der ebenso unscheinbare wie unbedeutende Kadettunterkanonier, der er allmählich wurde, doch schon in frühen Jahren den Keim zu höherer Entwicklung in sich. Er fand bald Einlaß in das dereinst hochangesehene Bombardierkorps. Uchatius stieg nach und nach durch alle Grade der von ihm frei und leidenschaftlich angestrebten Artilleristenlaufbahn empor. In unermüdlicher außerdienstlicher Arbeit an sich selbst wurde aus ihm der grctße Erfinder, der Gelehrte. Er wurde schließlich hoher General, errang die Würde eines Geheimen Rates, eines korrespondierenden Mitgliedes der Akademie der Wissenschaften. Fachkreise aller Welt ehrten in ihm den hervorragenden Metallurgen, und Kaiser Franz Joseph verlieh ihm die erbliche Baronie für sein Wirken als bahnbrechender Geschützkonstrukteur, neunzehn Jahre nach seiner für die Verdienste um das Arsenal erfolgten Erhebung in den Ritterstand.

Im Arsenal vollzog sich der ganze Werdegan dieser Persönlichkeit, und jeder Stein dieses heuer jubilierenden, etwas verkleinerten Gebäudekomplexes trägt in gewissem, Sinne den Namen Uchatius. Die wichtigste Anlage darin war die Artilleriezeugfabrik samt ihrem Konstruktionsbüro und ihren Werkstätten, Laboratorien, Gießereien und Bohrwerken. Jahrzehntelang sind darin sämtliche Geschütze des alten Oesterreich-Ungarns erzeugt worden. Die Belegschaft, mit 2500 Arbeitern beginnend, erreichte in der Flöchstspannung des ersten Weltkrieges die Zahl 15.000, ein monumentaler Ausdruck der geschichtlichen Großmachtstellung des Staates, eine gigantische Leistung, an deren Anfang der Name Uchatius steht. Zwischen den beiden Weltkriegen wurden die Betriebe auf zivile Belange umgestellt und vielfach eingeschränkt, bis dann das Inferno des zweiten Weltkrieges in sechzehn furchtbaren Luftangriffen einen Großteil dieser Anlage in Trümmer schlug und in Flammen aufgehen ließ, was von den technischen Schöpfungen des einstigen Fabrikdirektors und Konstrukteurs Uchatius noch vorhanden war.

Aus den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammende Geschütze der Provenienz Uchatius bewährten sich in zahllosen Kämpfen des ersten Weltkrieges auf allen Kriegsschauplätzen. Ihre Rohre aus Bronze, aus „Stahlbronze“, wie diese Zinnkupferlegierung genannt wurde, zeichneten sich, in besonderem geheim gehaltenem Verfahren hergestellt, durch hohe Festigkeitseigenschaften aus und bewährten sich, wo immer sie wirkten, als Kanonen, Mörser und Haubitzen der Kaliber acht bis 21 Zentimetet. Ja, in den schweren Artillerieschlachten am Isonzo, insbesondere vor und in Görz, gab es Kampftage, an denen einzig und allein unsere alten Uchatius-Kanonen feuerten... Aber das Material hielt stand und machte seinem Schöpfer Ehre, noch 37 Jahre nach seinem Tode! Und, wie Uchatius seiner Zeit weit voraus war, so konnte er auch des Zweifels nicht Herr werden, daß, trotz aller Bewährung der Stahlbronze bei allen Friedenserprobungen, ihr Sieg über den Stahl kein bleibender sein konnte. Sein mimosenhaftes, feinfühliges Gemüt ahnte dies voraus. In tiefer Melancholie schied er dann, geistig umnachtet, freiwillig aus dem Leben. Uchatius war von ungewöhnlicher Vielseitigkeit. Unbändiger Forscherdrang beseelte ihn und er mißachtete auch Bedürfnisse des gewöhnlichen Lebens nicht. So schuf er die erste Petroleumlampe auf dem Kontinent, und mit einem als Vorläufer des Kinematographen anzusprechenden Apparat vermochte er — Jahrzehnte vor Lumiere — bewegte Vorgänge durch Projektion von Bildern an die Wand mehreren Personen gleichzeitig vorzuführen, r

Sieben Publikationen der Akademie der Wissenschaften, in denen Uchatius sich über weit auseinanderliegende Wissensgebiete verbreitet, legen Zeugnis ab von der Universalität seinej Geistes und seinem rastlosen Streben.

Vor fünfundsiebzig Jahren — am 7. Juni 1881 — nach Einsegnung in der Arsenalkirche, die heute noch steht, beteiligte sich alles, was in Wien Rang und Namen hatte, neben der gesam. ten Generalität am Begräbnis. Auf dem Zentral-' friedhof ruhen in einem von den damaligen Artillerieoffizieren angeregten Ehrengrabe der Stadt Wien seine Gebeine. Ein hoher Gedenkstein mit im Arsenal erzeugten Emblemen des Geschützwesens erhebt sich an dieser Stätte für einen der größten österreichischen Pioniere der Technik und eine stille, kurze Gasse in Wiens drittem Bezirk trägt seinen Namen.

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