Die himmlischen Verse des Tomaž Šalamun
Eine Gedichtsammlung in zweisprachiger Ausgabe umkreist das Spätwerk des slowenischen Lyrikers Tomaž Šalamun.
Eine Gedichtsammlung in zweisprachiger Ausgabe umkreist das Spätwerk des slowenischen Lyrikers Tomaž Šalamun.
Er hat schon einen Legendenstatus, wie hierzulande H. C. Artmann oder Friederike Mayröcker. Aber auch eine Bilderbuchbiografie. Geboren 1941 in Zagreb, aufgewachsen in Koper, hat Tomaž Šalamun zunächst Kunstgeschichte studiert und danach als Broker an der Börse gearbeitet, ehe er damit angefangen hat, Gedichte zu schreiben ‒ am Ende stehen mehr als 50 Gedichtbände. Gedichte in slowenischer Sprache , Winke an die Sphinx, die in seiner Heimat zunächst vielfach auf Unverständnis gestoßen sind und zugleich dennoch Übersetzungen in nahezu alle europäischen Sprachen sowie zahlreiche Auszeichnungen erfahren haben.
Um hier nur einen der wichtigsten Preise zu nennen: 2007 erhielt Šalamun gemeinsam mit seinem Übersetzer Fabjan Hafner den Preis für Europäische Poesie (der mittlerweile unter einem neuen Titel bekannt ist, nämlich als Preis der Stadt Münster für Internationale Poesie). Šalamun beherrsche, so hieß es damals in der Jurybegründung, mit größter Souveränität die unterschiedlichsten Register, Tonlagen und Sprechweisen der Lyrik. Der Dichter ging mit Kommentaren sparsamer um; er hielt sich auch mit poetologischen Auskünften lieber zurück und blieb immer bei dem, was er schon einmal in einem Interview über seine Gedichte geäußert hatte: Sie seien ihm zugefallen, wie „Steine aus dem Himmel“.
Blüte nach einer Schaffenskrise
Es gab allerdings auch eine Zeit, in der keine Steine fielen. Zwischen 1990 und 1994 erlebte Šalamun eine Schaffenskrise, er arbeitete als Buchhändler und als Makler an der Triestiner Börse, und erst 1995 kehrte er wieder zur Literatur zurück. – Was er ab diesem Zeitpunkt bis zu seinem Tod geschrieben hat (Šalamun starb 2014 in Ljubljana), dieses „Spätwerk“ liegt nunmehr in einer gediegenen zweisprachigen Ausgabe vor, ausgewählt und aus dem Slowenischen übersetzt von Matthias Göritz, Liza Linde und Monika Rinck. Ein Zeugnis der bei uns wenig, viel zu wenig bekannten osteuropäischen Avantgarde.
Wobei aber selbstverständlich Brücken zu anderen Literaturen keineswegs zu übersehen sind. Die Übersetzer nennen Baudelaire, den slowenischen Dichter Dane Zajc sowie die Amerikaner Frank O’Hara, John Ashbery und den erst kürzlich verstorbenen Charles Simic (der aus Belgrad stammte, aber mehr als 30 Jahre lang Amerikanische Literatur an der University of New Hampshire gelehrt hat) als Vorbilder. Auch Christopher Merrill wäre an dieser Stelle zu erwähnen, der Dichter, Essayist, Übersetzer und Direktor des International Writing Program an der University of Iowa, an der Šalamun ebenfalls zwei Jahre lang gewirkt hat; es ist jedenfalls gut möglich, dass er in seinem Gedicht über Gedichte „Was Poesie macht“ darauf (und dazu noch auf ganz private, an amerikanischen Universitäten jedoch nicht gern gesehene Praktiken) anspielt.
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