Mailand im Revolutionsjahr

19451960198020002020

Ein letzter Gedenkblick ins Jahr 1848. Damals geriet auch die Lombardei in Aufruhr, nur das militärische Handeln Radetzkys hielt sie bei Österreich.

19451960198020002020

Ein letzter Gedenkblick ins Jahr 1848. Damals geriet auch die Lombardei in Aufruhr, nur das militärische Handeln Radetzkys hielt sie bei Österreich.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Pariser Revolution vom 22. Februar 1848 wirkte als Alarmruf an alle revolutionären Bestrebungen Europas. In der österreichischen Monarchie forderte Ludwig Kossuth am 3. März in Budapest eine neue Verfassung. In Wien demonstrierten am 6. März Bürger und Studenten gegen die konservative, reaktionäre Politik Metternichs. Am 11. März stimmten in Prag die Deutschen und Tschechen für eine Petition um konstitutionelle Reformen und für eine Gleichberechtigung beider Nationen.

Am Vorabend der Revolution Auch im österreichischen Lombardo-Venetianischen Königreich, vor allem in Mailand, erhoben sich die national-liberal gesinnten Italiener gegen die Herrschaft der Habsburger und das System Metternichs.

Der Adel in Österreichs oberitalienischer Provinz war unzufrieden, da er seine privilegierte Stellung, die er durch Napoleon Bonaparte verloren hatte, nicht zurückerhielt. Die Kaufleute klagten über das Prohibitionssystem. Die Liberalen waren vom politischen Geist beseelt, im Blickfeld die Einigung Italiens. Alle anderen blieben unwillige Steuerzahler und dem Regierungssystem gegenüber gleichgültige Untertanen.

Die gute Verwaltung, das ausgezeichnete Schulwesen, die unbestechliche Justiz, die blühende Landwirtschaft, die prosperierende Seiden- und Baumwollindustrie blieben als stumme Gegenpropaganda wirkungslos.

Die österreichfeindliche Haltung des Papstes wie des Klerus war eine logische Folge des "Josephinismus" (Säkularisierung) in Oberitalien, von der Franz I. nicht abließ. Diese Gegnerschaft führte den Klerus mit dem Volk zusammen. Ovationen für einen Kirchenfürsten waren gleichbedeutend mit einer Kundgebung gegen die Regierung.

Während des prunkvollen Einzuges des neuen Bischofs von Mailand, Conte Romilli, Bischof von Cremona, im September 1847, brüllten Fanatiker die Parole der Revolution durch die Straßen der Stadt: "Viva Pio Nono re d'Italia, liberatore de Popoli! Abasso l'Austria!" (Es lebe Pius IX., der König Italiens, der Befreier des Volkes, nieder mit Österreich!)

Metternich schrieb darüber: "Die Revolution hat sich der Person Pius IX. als eines Banners bemächtigt, um im Namen des Heiligen Stuhls das alte Panier der Welfen empor zu halten. Wir haben also jetzt in Italien die Partei der Welfen, die über die Deutschen das Todesurteil ausspricht, und wir finden keine Ghibellinen ..."

Der Aufstand in Mailand und in der Lombardei Am 30. Dezember 1847 beendeten die ersten Demonstrationen in der Lombardei ein Menschenalter der Ruhe und des Wohlstandes. In Mailand strömten Massen herbei, als der als Patriot verbannte Carleone Confalonieri zu Grabe getragen wurde. Die Trauerrede, die mit den Worten des Dichters Manzoni begann - "Das Herz, das der Kerker nicht erdrückte, wird die Mauern des Grabes sprengen" - fachte die Glut des italienischen Nationalismus an.

Überall in der Lombardei loderte die Fackel des Aufruhrs gegen die Österreicher. Noch hielten Erzherzog Ernst in Lodi, Graf Coudenhove in Cremona und Oberst Kopal mit seinen 10er Jägern in Varese die Ordnung aufrecht. Die Garnisonen von Monza und Bergamo zogen sich mit gefälltem Bajonett nach Mailand zurück. Die Garnison Brescia kapitulierte nach der Fahnenflucht einheimischer Abteilungen.

Der Neujahrstag 1848 begann in Mailand mit dem sogenannten "Zigarrenrummel". Rauchern wurden Zigarren, die von der Österreichischen Tabakregie stammten, aus dem Mund gerissen. Daraufhin zog das Militär rauchend durch die Stadt und blies den italienischen Patrioten den Rauch ins Gesicht. Wenige Tage später kam es zu Zusammenstößen in den Cafes "Gnocchi", "Dell'Europa" und "Cova", dem Treffpunkt der eleganten Welt. Zusammenrottungen in den Straßen mußten vom Militär aufgelöst werden.

Um die aufgebrachten Mailänder zu beruhigen, erließ der Gouverneur von Mailand Konzessionen. Die entsprechenden Kundmachungen wurden jedoch von den Mauern herabgerissen und durch Inschriften wie "Morte ai tedesci" - (Tod den Deutschen) ersetzt. Vor dem Regierungsgebäude tötete der Pöbel mehrere Mann der Wache. Um ihre Kameraden auf den Straßen und Plätzen vor dem fanatischen Mob zu schützen, feuerten auf dem Dach des Mailänder Domes postierte Kaiserjäger auf die teilweise bewaffnete Menge. 80 Tote und Schwerverwundete blieben auf dem Pflaster liegen. Nun setzte Radetzky massiv Militär ein, um den Aufstand niederzuschlagen.

Radetzkys nächtlicher Auszug aus Mailand Feldmarschall Johann Josef Wenzel Graf Radetzky, seit 1831 Oberbefehlshaber über die Österreichische Armee in Lombardo-Venetien, erließ einen Tagesbefehl an seine Truppen: "Noch ruht der Degen fest in meiner Hand, den ich durch 65 Jahre auf so manchem Schlachtfeld geführt. Ich werde ihn gebrauchen, um die Ruhe eines einst so glücklichen Landes zu schützen, das nun eine wahnsinnige Partei in unabsehbares Elend zu stürzen droht."

Im brodelnden Kessel von Mailand bewies der alte Haudegen Radetzky wieder einmal seine Kaltblütigkeit. Er wußte, die Entscheidung um die Erhaltung der Österreichischen Lombardei konnte nur auf dem Schlachtfeld fallen, nicht in Mailand, denn dort saß er in der Falle.

Am 22. März 1848 ließ Radetzky die Artillerie vom Kastell und den Ringmauern, vom späten Nachmittag bis in die frühen Morgenstunden, auf die Stadt feuern, um die Aufständischen im Hinblick auf die Räumung der Stadt zu täuschen. Um Mitternacht brach Radetzky mit seinen Soldaten auf. Nach beendetem Abzugsmanöver wandte sich der Feldmarschall noch einmal gegen die Stadt und rief ihr durch den Morgennebel zu: "Wir werden wiederkommen!"

Radetzky zog sich in der Folge mit seiner stark dezimierten Armee in das Festungsviereck Mantua - Legnano - Verona - Pesciera zurück.

Der Feldzug des Jahres 1848 Die Truppen des Kirchenstaates, deren Waffen der Papst für den bevorstehenden Kampf gegen die Österreicher gesegnet hatte, überschritten den Po, die Südgrenze der Lombardei. Trotzdem versuchte der Papst zwischen der neuen provisorischen Regierung in Mailand und Wien zu vermitteln. Allein die Mailänder bestanden auf Fortsetzung des Krieges. Der Wiener Hof schwankte. Man sprach von Gebietsabtretungen größten Ausmaßes. Jedoch die Gegenvorschläge Radetzkys vermochten den Wiener Hof umzustimmen und zu einer festen Haltung zu bewegen.

Santa Lucia Dem Rückzug der Österreicher aus der Lombardei folgte in einer Entfernung von mehreren Tagesmärschen das piemontesische Heer unter König Karl Albert von Sardinien-Piemont. Radetzky begann seine Truppen um Verona zu konzentrieren. Die Piemontesen überschritten den Mincio. Auf dem Rideau von Verona erwarteten die Österreicher den zahlenmäßig weit überlegenen Feind.

Am Morgen des 6. Mai 1848 eröffneten die Piemontesen den Kampf, der sich vor allem auf das Dorf Santa Lucia konzentrierte. Das 10., zumeist aus Niederösterreichern bestehende, Jägerbataillon unter Oberst Kopal verteidigte das Dorf stundenlang gegen die vehement stürmende Brigade Aosta und die königlichen Garden. Die rechtzeitig von Radetzky in den Kampf geworfenen letzten Reserven aus Verona entschieden die Schlacht zugunsten der Österreicher.

Vicenza Noch während der Schlacht von Goito, in der übrigens der Kaiserjäger-Leutnant Franz von Hofer, ein Enkel Andreas Hofers, den Tod fand, fiel die kleine Festung Peschiera, die von der schwachen österreichischen Garnison verteidigt wurde. Darauf setzte sich die österreichische Armee gegen Vicenza in Marsch. In dieser Stadt befand sich ein 20.000 Mann starkes Freischar-Korps, darunter zwei Regimenter der päpstlichen Schweizergarde. Am 10. Juni 1848 griffen die Österreicher mit fünf Brigaden an. Am heftigsten wehrten sich die Schweizer, die sich auf dem Rücken des die Stadt beherrschenden Monte Berici verschanzt hatten.

Oberst Kopal stürmte mit seinem 10. Jägerbataillon von der Brigade Strasoldo den Monte Berici und besiegte in einem erbitterten Bajonettkampf die Schweizer Garde. Kopal selbst wurde schwer verwundet und starb drei Tage nach der Schlacht.

Die Vernichtung der Schweizer Bataillone, des Kernes der Besatzung, bewog den piemontesischen General Durado zu kapitulieren.

Finale 1848 in Custozza Die entscheidende Schlacht des Feldzuges 1848 zur Erhaltung der österreichischen Lombardei begann sich am 23. Juli zu entwickeln. Als Radetzky von der Niederlage einer seiner Brigaden erfuhr, rief er sofort jene Brigaden zurück, die den Mincio schon überschritten hatten. Der Feldherr wollte für den 25. Juli die ganze Armee beisammen haben. Getreu dem Grundsatz der Napoleonischen Taktik: "Wenn man eine Schlacht liefern will, muß man alle seine Streitkräfte zusammenziehen, da ein Bataillon oft den Sieg entscheiden kann."

Auf den Anhöhen bei Custozza, 18 Kilometer südwestlich von Verona, durchbrach der Ansturm der Österreicher das Zentrum der italienischen Streitkräfte. Tags darauf wurden die Piemontesen und Sarden bei Villafranca nach zehnstündigem Kampf geschlagen. Am 6. August 1848, 137 Tage nach dem nächtlichen Ausmarsch, zog der siegreiche österreichische Feldherr Radetzky wieder in Mailand ein.

Der wiederhergestellte Frieden in der Lombardei sicherte für weitere Jahre den Bestand des Lombardo-Venetianischen Königreiches.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung