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Die Genfer Preistrager

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Während sich unsere Staatsmänner bemühen, durch Verhandlungen im Ausland für Österreich zu werben, haben drei junge Künstler durch ihre hervorragenden Einzelleistungen bewiesen, daß Österreich nicht nur seine Stimme im Konzert der Nationen wieder hören lassen kann, sondern auch schon Spitzenleistungen zu bieten hat.

An dem ersten internationalen Musikwettbewerb seit Kriegsende, der im Herbst dieses Jahres in Genf stattfand, nahmen Kandidaten aus 35 Ländern teil, die sich einem Preisrichterkollegium (einer Jury) stellten, welchem Musiker und Musikpädagogen mehrerer Staaten angehörten. Unter den 354 'Kandidaten, die von den einzelnen Ländern entsandt worden waren, befanden sich auch 23 Österreich.'-. Drei von ihnen wurden ausgezeichnet, und zwar erhielt der 16jährige Friedrich Gulda den ersten Preis für Klavier, der 20jährige Anton F i e t z errang den zweiten Preis für Violine, und Else Bauer-Liebesberg wurde unter den Sängerinnen mit Diplom und Medaille ausgezeichnet (der erste Preis für Gesang wurde in diesem Jahr nicht verliehen). Alle drei Künstler sind Wiener und wurden' auf der Staatsakademie für Musik und darstellende Kunst ausgebildet.

In einem vom Bundesministerium für Unterricht gemeinsam mit dem Amt für Kultur und Volksbildung der Stadt Wien veranstalteten Konzert legten die Preisträger Proben ihres Könnens ab. Es ist selbstverständlich, daß wir es bei unseren drei jungen Musikern noch nicht mit fertigen Künstlerpersönlichkeiten zu tun haben, die imstande wären, den Gehalt der klassischen Werke, an denen es sich immer zu bewähren gilt, voll auszuschöpfen.

Vielversprechende Ansätze zu einem Eigenstil zeigte Friedrich Gulda in Beethovens Klavierkonzert in G-Dur. Gulda besitzt — neben einer außergewöhnlichen manuellen Fertigkeit — einen sehr eigenen Anschlag, der als reinstes und unertrüglich-stes Zeichen einer pianistischen Persönlichkeit gewertet werden kann. Seine Interpretation hält zwischen Sachlichkeit und Schwelgerei sehr glücklich die Mitte. Auf seine weitere Entwicklung kann man zuversichtlich sehen.

Anton F i e t z, Konzertmeister der Wiener Symphoniker, spielte das Violinkonzert von Beethoven — ein schweres und gedankentiefes Werk —, das er vorläufig nur von der Seite der Technik und mit Hilfe eines gesunden, unverbildeten Stilgefühls interpretierte. Das Spiel von Fietz ist sauber und klar; es ist mehr musikantisch als genialisch und paßt gut zu einem jungen Konzertmeister. Schwulst und virtu-osenhaftes Gebaren sind ihm ebenso fremd wie dem Pianisten Gulda.

Else Bauer-Liebesberg erwies in Klavierliedern von Brahms, Strauß und Marx vor allem eine vorzügliche Schulung. Sie fühlt sich mehr auf dem Gebiet der Oper als auf lern des Konzertliedes zu Hause und konnte ihre modulationsfähige Stimme von angenehmem Timbre, die aber keinen sehr großen Umfang besitzt, nicht voll entfalten. Die getroffene Liedauswahl spricht für ihren guten künstlerischen Geschmack.

Rudolf M o r a 11 hat als Operndirigent reichliche Erfahrung im Umgang und in der Begleitung junger Solisten. Die Wiener Symphoniker vermochten seinen Intentionen nicht immer ganz zu folgen; an einzelnen Stellen des Begleitparts fehlte die vorletzte Feile.

Das Konzert hatte festlichen Charakter und gestaltete sich zu einer Sympathiekundgebung für die jungen Künstler, die unser Land vor dem internationalen Forum so würdig vertreten haben und uns hoffen lassen, daß uns — wie leider auf so vielen anderen Gebieten — der musikalische Nachwuchs nicht fehlen wird.

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