Wiens geheimes Mozart-Haus

Werbung
Werbung
Werbung

In der Himmelpfortgasse wohnte Mozarts "ewige Liebe" Aloysia Weber - die Schwester seiner Frau Constanze.

Alljährlich pilgern Massen von Touristen in Wien zum "Figaro-Haus" in der Domgasse. Wenn in den kommenden Jahren umfangreiche Restaurierungsarbeiten in dem engbrüstigen alten Haus anstehen, so wird es vielen Mozart-Anhängern ein Trost sein, dass noch ein anderes altehrwürdiges Domizil besteht, das ihn oft in seinen Mauern sah. Zwar wohnte Mozart damals in der Rauhensteingase 8, doch sein häufiges Ziel lag nur ums Eck. Es war das schöne Biedermeierhaus Himmelpfortgasse 11, das ihn magnetisch anzog. Und darin wohnte seine erste und vermutlich einzige Liebe, die Sängerin Aloysia Weber mit ihrem Gatten, dem angesehenen Hofschauspieler Joseph Lange. Zwar hatte der leicht Entflammte 1778 mit 22 Jahren wutentbrannt an seinen Vater in Salzburg geschrieben: "Leck mich das Mensch im Arsch, das mich nicht will ..." und statt ihrer dann ihre Schwester Constanze zur Frau genommen. Doch das Herz ließ sich nicht bestimmen - Mozarts Liebe währte bis zu seinem Tod. Das alte Haus kann aber auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken.

Ursprünglich war das Haus ein Kloster. Anno 1230 wurde das Anwesen von der Tochter des ungarischen Königs, Bela III., Prinzessin Constantia, dem Augustinerorden gestiftet. Sie selber führte in diesen Mauern ein frommes, weltabgeschiedenes Dasein. Später veräußerten die Klosterfrauen den Besitz. Er kam in bürgerliche Hände. Der erste Besitzer war ein gewisser Hanns Siess, der es dann seiner Tochter Anna Ehm vermachte. Im Jahr 1511 wurden Haus und Grund an den Rat der Stadt Wien verkauft. Der neue Zweck war, "es den Juden allhie als ein behausung in der Stat zu khauffen" wie es in einer Kammeramtsrechnung heißt. Es zogen mehrere jüdische Familien ein, jedoch wurde das Haus bald zu klein für sie. Und wieder ging das Anwesen in Privathand über. Der Wiener Bürger Hanns Wibmer bekam schließlich den Zuschlag. Nach mancherlei Wechsel fiel dann das Haus 1667 erneut an das Himmelpfort-Kloster zurück.

In zwei Etappen wurden ab dem Jahr 1782 auf Befehl Kaiser Joseph II. Klöster aufgehoben. Vor allem jene von "beschaulichen Orden". In diese Kategorie fiel auch das der Augustinerinnen "Zur Himmelpforte". Leopold Mozart schrieb hierüber an seine Tochter: "Da sieht man, was pure Beschwesterey für ein abscheulicher Unterschied zum wahren Christentum ist ... Es ist und bleibt doch immer gut, wenn man die Weiberklöster aufhebt."

Ein biederes Wiener Bürgerpaar, Bau- und Maurermeister Josef Meissl und Frau Franziska, erwarb Haus und Anwesen in der Himmelpfortgasse 11. Von ihnen weiter vererbt, blieb das Haus in der Familie. Erst Ende des 19. Jahrhunderts taucht der Name eines Heinrich Ritter von Smetana auf. Er hatte den Besitz von der Witwe des letzten Meissl erworben.

Durch alle die Jahrzehnte behielt das Gebäude aber immer seinen Charakter. Die beiden Innenhöfe, die jeweils drei Stockwerke, die Altwiener Gänge zieren noch heute das ehrwürdige Gebäude, das mit seinem schönen Portal alte Traditionen widerspiegelt.

Die Wohnungen im Hause sind geräumig. Vermutlich bewohnten Aloysia und Joseph Lange die große Wohnung in der Beletage im ersten Aufgang. Mit wehmutsvoller Andacht steigt der Besucher heute die schmalen Wendeltreppen hinauf, die Hand am ins Mauerwerk eingelassenen runden Geländer - dem "Handlauf" - und genießt das Gefühl: "Hier ist der Genius einst viele Male auf- und abgestiegen ..."

Kamen die Mozarts jedoch hierher, so verbanden sich noch andere Gründe dafür. Denn im Hause wohnte und werkte damals der berühmte Geigenbauer Matthias Thir. Seine Violinen waren hochgeschätzt. Sicher hat Mozart interessiert so manche neue Geige ans Kinn gehoben und mit ein paar Strichen erprobt, spielte er doch auch dieses Instrument bravourös.

Eng verbunden mit dem Haus ist auch Constanzes Leben als Witwe dann gewesen. Zwar verpflichtete Hamburgs berühmter Intendant Friedrich Ludwig Schröder sie nach Mozarts Tod von 1796 bis 1798 an das alte Schauspielhaus. Doch der Misserfolg, den Constanze Mozart dort als Sängerin erfuhr, ließ die Schwestern nach Wien zurückkehren. Die Kritiker hatten geschrieben: "Madame Mozart sang laut - und für viel Geld." Das wars.

Ein Abglanz jener Tage, an denen Mozart in diesem Hause seine "ewige Liebe", Aloysia, anschwärmte, scheint immer noch in den Mauern zu wirken. Er selber legte über sein Gefühl am 16. Mai 1781 in einem Brief an den Vater Zeugnis ab, in dem er bekannte: "Bey der Langin war ich ein Narr, das ist wahr, aber was ist man nicht, wenn man verliebt ist! - Ich liebte sie aber in der that, und fühle, daß sie mir noch nicht gleichgiltig ist - und ein Glück für mich, daß ihr Mann ein eyfersüchtiger Narr ist, und sie nirgends hinläßt ..."

Wie nahe sich beide in der Himmelpfortgasse gekommen sind, das wird wohl nie zu ergründen sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung