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Briefe an den Herausgeber der „furche“

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Sehr geehrter Herr Herausgeberl

Zu Ihrem Artikel „Das andere Cassino“ in den Querschnitten der letzten „Furche“ bin ich in der Lage, Ihnen eine — trotz der an sich traurigen Tatsache — doch etwas erfreulichere Mitteilung machen zu können:

Im vergangenen Jahr hatte ich Gelegenheit, etwas in Tunesien herumzufahren und traf während dieser Reise auch auf einen deutschen Soldatenfriedhof im südlichen Teil des Landes, der an der Wüstenstraße zwischen Gabes und Matmata, der Oase der Höhlenbewohner, liegt. Der unter den gegebenen Verhältnissen ausgezeichnete Zustand des Friedhofs macht der dortigen Verwaltung alle Ehre. Es dürfte sich nach roher Schätzung um ungefähr tausend Kriegsgräber handeln, deren jedes mit einem Betonkreuz versehen und von einem betonierten Rand eingefaßt ist. An den Kreuzen sind Metallschilder angebracht, die den eingravierten Namen, den Rang, Todestag und die Bezeichnung der Einheit des Gefallenen tragen. Verschiedene Kreuze haben allerdings auch ein „Inconnu“ auf ihren Schildern. Der ganze Friedhof ist eingezäunt, und eine Marmortafel auf dem Sockel gegenüber dem Gittertor des Eingangs sagt aus, daß hier Gefallene der Schlacht bei El M'Dou liegen. Diese Schlacht wurde meines Wissens von der VIII. Armee Mont-gomerys im März 1943 geschlagen, als die von der sogenannten „Mareth-line“ aus operierenden Truppen Montgomerys die deutschen Einheiten nach Norden abdrängten. Im Abstand von vielleicht je 20 oder 30 Kilometer liegen in dieser Gegend auch noch ein englischer und ein italienischer Soldatenfriedhof. Die seelische Wirkung solcher Friedhöfe in dieser scheinbar endlosen Weite ist unmittelbarer als anderswo, und wie ich feststellen konnte, zeigen sich auch bei oberflächlicheren Gemütern Ansätze zum Nachdenken. Otto Böhm, Wien IX, Servitengasse 4a/9 •

Auch ein anderer Leser kann uns Erfreulicheres berichten:

»Mein Sohn, der an der Nied gefallen ist, liegt in einem lothringischen Soldatenfriedhof, der noch aus dem ersten Weltkrieg stammt und sogar noch einige Steinkreuze aus dem 70er-Krieg enthält. Es ist ein schön gepflegter, idyllisch gelegener Waldfriedhof bei dem französischen Dorf Fey, zirka 12 Kilometer südlich von Metz. Ein Monument inmitten der .streng militärisch' ausgerichteten Gräber trägt (in deutscher Sprache!) die Inschrift: .Hier ruhen deutsche Soldaten.' Ein eigener .gardien du eimitiere milttaire', Monsieur Auguste Ruzi, ehemaliger Kolonialsoldat mit weltweitem Horizont und zahlreichen Auszeichnungen, sorgt in rührender Weise für die Gräber. Die Lothringer, so erklärte er mir, pflegen die letzten Ruhestätten der gefallenen Soldaten, ob sie Franzosen, Amerikaner oder Deutsche waren, mit der, gleichen Ehrfurcht. Dabei darf man nicht vergessen, daß Fiy, wie die meisten Orte im westlichen Lothringen, durch den Krieg vollständig zerstört wurde — die Bauern hausen dort heute noch in Baracken! — und daß die Bevölkerung in Nordfrankreich ein Naziinferno mitmachen mußte, von dem wir hier gar keine Vorstellung haben.

Die französische Organisation zur Feststellung und Registrierung der Kriegsgräber funktioniert ausgezeichnet: Während ich von Wien aus fast zwei Jahre brauchte, uni durch Anfrage bei allen möglichen militärischen und zivilen Dienststellen ''■erauszubringen, wo sich die letzte Ruhestätte meines Sohnes befindet, und sich nach unserer Ankunft in Metz (April 1949) zu meinem und meiner Frau Entsetzen herausstellte, daß die erhaltenen Angaben nicht richtig waren, genügte ein wenige Minuten dauerndes Fern« gespräch der dortigen, überaus liebenswürdigen Leiterin des ministeriellen .Office pour les anciens combattants' mit der Zentralstelle in Nancy, um einwandfrei und jeden Zweifel ausschließend den so langt gesuchten Ort und die Grabnummer festzustellen. Das unvergleichliche Entgegen» kommen der französischen Behörden und die hingebungsvolle Aufmerksamkeit von Monsieur Ruzi ermöglichten es, daß wir wenige, Stunden später am Grab unseres Einzigen standen. Und noch etwas: Der Pfarrer det armen Dörfleins, der uns mit echt lothringischer Gastfreundschaft in seinem halbzerstörten .presbutere* aufgenommen hatte, Msgre. Brecher, forderte am Sonntag — et war unseres Jungen Sterbetag — die in der Barackenkirche zur Messe versammelte Gemeinde auf: .Prions pour le soldat autrichten Henri Asperger.' Ein schöner und rührender Beweis für die solidariti supranationale catholique!

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