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Das Geheimnis der Uzziah Stele

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Die Mauer des russischen Nonnenklosters auf dem Gipfel des ölberges bei Jerusalem umschließt, neben dem traditionellen Grab des Hauptes Johannes des Täufer, auch ein kleines Museum. Den gewölbten Raum, dessen Boden die köstlichen Mosaiken eines frühen ölbergklosters bilden, füllt eine Vielfalt von Schätzen, antike Keramik und Bronzen, ägyptische Ausgrabungen und Mumienreste, Marmorfragmente und Gipsabgüsse. Es ist die Sammlung des russischen Archimandriten Antohin, der von 1864 bis 1894, im goldenen Zeitalter der Ausgrabungen in Palästina, das Haupt der russischen ekklesiastisehen Mission im Heiligen Lande war.

Es ist klar, daß Antonins Erb* im Laufe eines halben Jahrhunderts manche Einbußen erlitten hat. So ist unter anderem das Marmorhaupt jener Statue Hadrians verschollen, deren Inschrift verkehrt der Mauer des Tempelplatzes eingelassen ist. Noch immer verstaubt, aber eine Kollektion in dem kleinen Haus auf dem ölberg,eysels, Jerusalem welche die Phantasie des Altertumsfreundes reizen und in ihrer regellosen Aufhäufung von Wertvollem und Wertlosem ungeahnte Schätze bergen mag. Die Nonnen zeigen ihr Museum aber nicht gerne. Sie bewachen jeden Eindringling ungeduldig und schlüsselklappernd.

Den Schatz der Schatzkammer de, alten Antonin, ein Stück, noch wertvoller als das verschollene Haupt Hadrians, entdeckten die Archäologen Professor Sukenik und Dr. M e i s 1 e r vor fünfzehn Jahren durch Zufall. Verborgen unter wertlosem Kram fanden sie in einem Winkel des „Museums“ eine Kalksteinplatte, 35 Zentimeter lang, 34 Zentimeter breit und 6 Zentimeter dick. Der- profilierte Rahmen umgab eine vier/eilige Inschrift in klar und sorgfältig geschnittenen a.-amäischen Lettern Während der eine der beiden Herren die führende Nonne in eine russische Konverlation verwickelte, gelang dem anderen Messung und Aufnahme.

Der Text der Stele war über jeden Zweifel klar: „Die Gebeine des Königs Uzziah wurden hieher gebracht. Nicht zu öffnen.“ Es bestand kein Grund, ihre Editheit anzuzweifeln. Es war ein Fund gelungen, der in seiner direkten Bestätigung des biblischen Berichtes an Bedeutung der Stele des Königs Mesa und der Inschrift des Hesekiah-Tunnels gleichkam.

Wir wissen aus dem sechsundzwanzigsten Kapitel des zweiten Buches der Chronik, daß der König Uzziah von Juda als Aussätziger starb und deshalb wie andere Könige, die unrein in Krankheit starben, nicht in der Königsgruft beigesetzt wurde, sondern auf einem anderen Begräbnisplatz, welcher der königlichen Familie gehörte. Vers 9 im 43. Kapitel des Hesekiel läßt darauf schließen, daß diese zweite Davidische Nekropole in unmittelbarer Nähe des Tempels lag. Da dies von Hesekiel und der nachexilischen Priesterschaft als Sünde aufgefaßt wurde, muß angenommen werden, daß diese Gräber bei der Errichtung des Zweiten Tempels' verlegt wurden. Dafür spricht auch der Text der auf dem ölberg gefundenen Stele. Sie stammt aus der Zeit des Zweiten Tempels und berichtet in klaren Worten, daß die Gebeine des Königs Uzziah aus der Gruft gehoben und in ein neues Grab übertragen wurden. Gleichzeitig wurden jedenfalls die Reste der Könige Joram und Johaz in benachbarte Felsengräber gelegt. Die offizielle Nekropole des Davidischen Königshauses ist seit der Zerstörung Jerusalems durch die Römer verschollen. Der Fund auf dem ölberg schien auf die Spur des zweiten Königsgrabes zu leiten, dessen Existenz unzweifelhaft ist.

Professor Sukenik publizierte seine Entdeckung in den Vierteljahresheften des „Palestine Exploration Fund“. Vom Tage dieser Publikation an, seit fünfzehn Jahren, ist die Uzziah Stele spurlos verschwunden. Keine der Nonnen erinnert sich daran, jemals die Steinplatte im „Museum“ gesehen zu haben. Sie schütteln den Kopf, wenn man ihnen die Photographie zeigt. Bestände diese Photographie nicht, dann müßte man ■ glauben, daß die beiden Gelehrten im Schatten eines alten Ölbaumes auf dem ölberg einen schönen archäologischen Mittagstraum geträumt hätten.

Geheimnistuerei und Neid sind von altersher Leitmotive der Altertumsforschung in Palästina. Die Mesa Stele wurde in Studie gesdilagen, um en detail einen besseren Preis zu bringen. Die Uzziah Stele verschwand im Keller irgendeines Klosters, um auf einen besseren Preis als den eines Museums in Palästina zu warten. Als dies geschah, war die russische Kirche Palästinas eine arme, sorgenbeladene Körperschaft, die von nirgendwo in der Welt Hilfe zu erwarten hatte. Heute sind die greisen Mönche und Nonnen wieder in den Schutz Rußlands zurückgekehrt. Die Angst der alten Leute, jemand könnte ihnen den Schatz rauben-, den sie so lange ahnungslos besaßen, war schon vor fünfzehn J ihren unbegründet, heute ist sie völlig sinnlos.

Es wäre an der Zeit, daß die Obrigkeiten der russischen Kirche in Palästina die Existenz der Uzziah Stele zugeben und sie der Wissenschaft zugänglich machen. Unter den Augen von UNSCOP wird sie ihnen niemand wegnehmen!

Die Tagebücher des Archimandriten Antonin, der irgendwann in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Uzziah Stele erwarb, wurden bei seinem Tode dem heiligen Synod in Moskau übergeben. Sie gelangten später in die russische Staatsbibliothek. Der bevorstehende Kongreß der orthodoxen Kirchen in Moskau wäre eine gute Gelegenheit, diesen Notizen nachzuforschen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Antonin, obwohl er ein Amateur war, den Fundort der Stele genau notiert hat. Seine Aufzeichnungen könnten zu Entdeckungen führen, deren Bedeutung das Tutenkhamengrab in den Schatten stellen würde. Die katholische und die protestantischen Kirchen haben wertvollste Beiträge zur Archäologie Svriens und Palästinas geleistet — Die orthodoxe Murter-kirche würde sich ihnen würdig zur Seite stellen, wenn sie d;e Uzziah Stele und die Aufzeichnungen des Archimandriten Antonin der Forschung freigäbe.

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