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Das Manifest vom September 1950

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Für die Errichtung rpmfreier, „nationaler“ Kirchenkörper, wie sie in der Tschechoslowakei und Ungarn durch kleinste Absplitterungen vom Leib des Katholizismus ins Werk gesetzt wurden, bieten sich in Rumänien besonders günstige Voraussetzungen. Es ist wenig beachtet worden, daß im September 1950 in dem siebenbürgischen Städtchen Ghe-orghieni eine Tagung des sogenannten „Katholischen Status“ stattgefunden und mit Zustimmung des Regimes seine Ausdehnung auf alle rumänischen Provinzen und alle katholischen Gläubigen des Landes „zwecks Eingliederung unserer Kirche in die gesetzliche Staatsordnung“ beschlossen hat.

Der „Status“ ist eine außerhalb Rumäniens unbekannte, an sich durchaus legale Einrichtung der Kirche, die in den Kämpfen des Reformationszeitalters in Siebenbürgen entstand. Als autonome, aber der kirchlichen Behörde legal zugeordnete und ihr unterstellte Vertretung der katholischen Geistlichkeit und des Kirchenvolkes hat der Status im Laufe der Jahrhunderte eine wechselvolle, meist segensreiche Rolle gespielt und verschiedene Rechte ausgeübt. Solange es laut Landesgesetz in Siebenbürgen keinen römischen

Bischof geben durfte, wählte und „präsentierte“ der Status den — vom Papst vorher bestätigten und geweihten — „Vikar“, der vom Fürsten im Einklang mit dem Gesetz „ernannt“ wurde. Dieses Recht der „praesentatio“ des Bischofs behielt der Status auch nach der Wiederherstellung des Bistums. Seine Vertreterversammlung setzt sich derzeit zu einem Drittel aus Geistlichen, zu zwei Dritteln aus Laien zusammen.

Im Konkordat vom Jahre 1927 (1929) war der. „Status“, der als autonome Körperschaft der zentralistischen Bukarester Regierung manche Schwierigkeit bereitete, nicht erwähnt; doch wurde 1932 ein Zusatzabkommen abgeschlossen und der Status als eine Art von Diözesanrat In die Ordnung der Kirche eingebaut.

Nach der „Befreiung“ Rumäniens durch die Rote Armee und der sozialen Umstrukturierung des Landes weigerte sich der Vorsitzende des Status, der Karlsburger Diözesanbischof Marton A r o n, den Status in seiner Zusammensetzung gemäß den Wünschen des Regimes umzubauen, das heißt die „reaktionären, faschistischen Elemente“ zu entfernen und eine „fortschrittliche Mehrheit“ herzustellen. Das Regime hat sein Ziel nach Einkerkerung des Bischofs doch erreicht, eine „Interimskommission“ eingesetzt und sie Schritte zur „Wiedereinsetzung der alten kirchlichen Selbständigkeit“ unternehmen lassen. Die Interimskommission wurde durch Hinzuziehung von Vertretern aller Bistümer des Landes erweitert. Sie erließ am 5. September 1950 ein Manifest an alle katholischen Gläubigen in Rumänien, in dem es unter anderem heißt:

„Der Katholische Status muß zum repräsentativen Organ aller Katholiken In der Rumänischen Volksrepublik werden. Wenn der Status früher als sieben bürg ische Einrichtung betrachtet wurde, so ist das nur dem Umstand zuzuschreiben, daß zur Zeit seiner Gründung die Banater Gebiete unter türkischer Herrschaft standen und die wenigen in der Moldau zerstreut lebenden Katholiken bloß fahrende Geistliche aus Siebenbürgen besaßen ... Vorwärts darum zur Eingliederung unserer Kirche in die gesetzliche Staatsordnung 1

Zweifellos hat das Regime den Status als trojanisches Pferd aufgezäumt, um mit ihm die Gleichschaltung der Kirche zu erzwingen. Es ist zu vermuten, daß sich die Männer des Status dieser Judasrolle widersetzen. Dann käme dem Pacha-Prozeß unter anderem die Aufgabe zu, durch Erregung von Schrecken diesen Widerstand zu brechen.

Kann aber Schrecken dann noch eine Wirkung üben, wenn ohnedies lähmendes Entsetzen über dem Land liegt? Wenige Wochen vor dem Prozeß sind Zehntausende von Glaubens- und Volksgenossen des Bischofs wegen „politischer UnZuverlässigkeit“ ausgesiedelt und in die Steppen des Baragan deportiert worden.

Die 60.000 Verschleppten waren durchwegs katholische Schwaben aus dem Ba-nat.

Die Arbeitsunfähigen kamen in Vernichtungslager, die übrigen als Zwangsarbeiter zum Donau-Schwarzmeer-Kanal. Vielleicht treffen sie dort ihren greisen Oberhirten, der zu siebzehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde. Eine solche Strafe pflegen Schwerverbrecher in der Regel in den Salzbergwerken abzuarbeiten. Aber die in den Verhandlungen so gerühmte Menschlichkeit des Gerichts bewilligt dem Bischof in Anbetracht seines Alters und seiner untadeligen Vergangenheit möglicherweise den Strafvollzug bei diesem großen Werk, an dem der ehrwürdige Greis angeblich schon während der Untersuchungshaft durch seiner Hände Arbeit mitwirken durfte.

Crescit sub pondere palma.

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