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Der Flug ins Dunkel

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GENERALOBERST ALEXANDER LOHR: EIN LEBENSBILD. Von Oberst l. D. J. DIlkoT, Verlar Herder, Frelburr, 1984. 18S Selten. Preis 108.60 S.

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GENERALOBERST ALEXANDER LOHR: EIN LEBENSBILD. Von Oberst l. D. J. DIlkoT, Verlar Herder, Frelburr, 1984. 18S Selten. Preis 108.60 S.

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Der Leser ist gebeten, zunächst einen Blick auf das nebenstehende Bild zu werfen. Hitler hat die „Ostmark“ heimgeholt. Der Marschtritt, seiner Soldaten hallt üher däk JE la-: ster deb östelrreichiSchen 6täeft§. Das österreichische Heer wird „gledch- geschaltet“. Ein „Gleichgeschalteter“‘ — es ist niemand anderer als der ehemalige Kommandant der österreichischen Luftstreitkräfte, Alexander Löhr, der uns hier noch in der Uniform eines österreichischen Fliegergenerals, aber bereits mit umgeschnalltem deutschem Degen und aufgenähten deutschen Hoheitsabzeichen begegnet, tritt im Schatten des „großen Bruders“ den Weg in eine unbekannte Zukunft an. Sie wird ihn auf die Höhen militäri sehen Ruhms und zuletzt vor die Gewehrläufe eines jugoslawischen Erschießungskommandos führen.

Eben diesem Generaloberst Löhr hat &ein; alter Kamerad Oberst a. D. Krakow sein-Bach -gewidmet, das sein - L Äwbildf . bjehnwi will;; Es- erweckt Interesse, denn Löhr war ohne Zweifel eine Persönlichkeit von hohen militärischen und persönlichen Qualitäten, dem ein weniger tragisches Ende zu wünschen gewesen wäre. Der im rumänischen Turnu-Severin 1885 geborene Sohn eines aus dem Rheinland stammenden Donaukapitäns und einer russischen Mutter besaß ein beachtliches Sprachentalent, hohe Intelligenz, eine große Organisationsgabe. Dabei blieb er auch auf den Höhen militärischen Ruhms stets ein bescheidener Mann. In der Geschichte des österreichischen Bundesheeres wird sein Name als der des Schöpfers der kleinen, aber gut ausgestatteten Luftstreitkräfte der Ersten Republik (ihre Offiziere trugen das elegante Dunkelblau der ehemaligen Marine) in Erinnerung bleiben. Wie so manchem anderen national eingestellten Offizier wurde auch ihm Hitler zum Schicksal. Er stieg zum Oberbefehlshaber der deutschen Luftflotte IV auf, befehligte später die Heeresgruppe E auf dem Balkan, begab sich zu Kriegsende freiwillig in die jugoslawische Gefangenschaft und wurde, da sich mit seinem Namen das Bombardement von Belgrad 1941 verband, in einem Prozeß zum Tode verurteilt und 1947 erschossen.

Leider konzentriert sich der Verfasser außer auf die Ehrenrettung des toten Freundes vor dem Verdacht der Kriegsverbrecherschaft vor allem auf eine militärhistorische Studie des deutschen Feldzuges im Südosten, dem er breiten Raum und zahlreiche Skizzen widmet. Das versprochene Lebensbild Löhrs kommt dabei bedauerlicherweise zu kurz. Gerade über den Aufbau der österreichischen Luftstreitkräfte unter Löhr hätten wir zum Beispiel gerne mehr erfahren als ein Resümee von zwei Druckseiten. Auch erscheint uns die letzte Tragik von Löhrs Leben und Sterben nicht restlos ausgeschöpft.

Löhr war gewiß kein „Kriegsverbrecher“. Mit seinem Namen verbinden sich keine Grausamkeiten, die den Rahmen eines Kriegsgeschehens überschreiten. Auch Nationalsozialist war er weder vor noch nach 1938. Allerdings ist er, bei allem Respekt vor seinen hohen militärischen Gaben und vor seinem Soldatengrab, als geistiges Vorbild für die jungen Soldaten der Zweiten Republik nicht zu propagieren. Der Verfasser zitiert selbst Schmidt- Rechberg „Der Endkampf auf dem Balkan“: „Er (Löhr) fühlte sich nicht als Soldat und Heerführer Österreichs, sondern des geeinten

Deutschen Reiches. Löhr liebte das ehrwürdige Wien und die alten Ostgaue wie jeder seiner Landsleute. Aber Österreich bedeutete ihm Heimat, das Vaterland sah er größer — im Völkerraum aller Deutschen “ Dem enthusiastischen Rezensenten der „österreichischen Militärischen Zeitschrift“ (September Oktober 1964) kann daher nicht zugestimmt werden, wenn er schreibt: „Den jungen Militärakademikern der Alma Mater Theresiana, die sich nach einem Vorbild und Leitstern für ihr künftiges Leben als österreichische Offiziere sehnen, möge dies Buch in die Hand gedrückt werden.“

Den Militärakademikern von Wiener Neustadt wissen wir ein anderes Vorbild: Ihren ehemaligen Schul- kommandanten Generalmajor Towa- rek. Dieser weigerte sich bekanntlich, die rotweißrote Fahne zu streichen und das Hakenkreuzbanner aufzuziehen, solange er Komman-

dant war — mit allen Konsequenzen. Hätte etwa ein Alexander Löhr ähnlich gehandelt, statt seine große militärische Begabung und menschliche Reputation für einen Krieg zur Verfügung zu stellen, der nicht der Österreichs war — ein solcher Schritt hätte seine große moralische Wirkung gewiß nicht verfehlt.

Nur zur Verteidigung der Grenzen des österreichischen Vaterlandes die Waffen zu heben! Das ist das wahre Vermächtnis, das aus dem Leben und tragischen Sterben Alexander Löhrs für eine neue Generation österreichischer Soldaten erwächst. Wir bekennen freimütig, daß wir dies in dem vorliegenden Buch gerne klarer herausgearbeitet gesehen hätten.

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