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Eid auf den Antichrist?

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Polnische Bischöfe, Kapitularvikare und Weihbischöfe haben, wie die kommunistische polnische Nachrichtenagentur Warschau mitteilt, am 17. Dezember vor dem Vorsitzenden des polnischen Ministerrates, Ministerpräsidenten Cyrankiewicz, den Eid auf die Volksrepublik Polen geleistet. Zu diesem Eid sind nach Artikel 5 der Verordnung über die Besetzung kirchlicher Aemter, gegen die der verhaftete Kardinal Wyszynski ständig protestiert hatte, alle polnischen Staatsbürger verpflichtet, „die irgendwelche kirchliche Aemter bekleiden". Der Eid enthält eine Ergebenheitserklärung gegenüber der polnischen Volksrepublik und ihrer Regierung und das Versprechen, „alles zu tun für die Entwicklung der polnischen Volksrepublik und die Stärkung ihrer Macht und Sicherheit".

Was ist Wahrheit? 1st man, wie so oft bei Meldungen von jenseits des Eisernen Vorhangs, versucht zu fragen, wenn man eine jüngste Mitteilung der kommunistisch-polnischen Radioagentur PAP liest, nach der die katholischen Bischöfe Polens jetzt den Eid auf den kommunistischen Staat abgelegt haben. Mit der gleichen nachrichtenpolitischen Betriebsamkeit werden seit längerer Zeit Meldungen verbreitet, daß polnische Priester sich zur kommunistischen „Friedensbewegung' bekennen. Tödliches Schweigen aber herrscht schon seit drei Monaten über die Frage, die die ganze Welt brennend interessiert: den Aufenthalt des verhafteten Primas von Polen, Kardinals W y s z y n s k i. Noch heute weiß die freie Welt nicht, wo der Kardinal gefangengehalten wird. Man kann nur aus verschiedenen Aeußerungen schließen, daß er nach Moskau gebracht wurde und daß der Kreml selbst hinter seiner Verhaftung gestanden hat.

Es war vorauszusehen, daß nach der Verhaftung Kardinals Wyszynski für die Kirche in Polen eine neue Leidenszeit beginnen würde. Die Meldung von dem angeblichen Eid der wenigen noch in Freiheit befindlichen Bischöfe auf den kommunistischen polnischen Staat ist, selbst wenn sie in dieser Form nicht stimmen sollte, ein Beweis dafür, daß die Befürchtungen Wahrheit wurden. Da die Bischöfe selbst nicht die Möglichkeit haben, sich öffentlich der Welt gegenüber zu äußern, zu dementieren oder richtigzustellen, ist der wirkliche Vorgang aus der einseitigen kommunistischen Meldung nicht zu entnehmen. Sie schweigt z. B. darüber, welche Bischöfe außer den zwei Genannten den Eid abgelegt haben. Sie gibt ebensowenig Namen bekannt, wie es die polnische Nachrichtengebung am 28. September tat, als die Kommunisten eine angeblich vom ganzen Episkopat unterzeichnete Erklärung veröffentlichten, die die Verhaftung Kardinal Wyszynskis guthieß. In der1 Zwischenzeit wurde bekannt, daß die damalige Erklärung lediglich eine Unterschrift trägt. Alle anderen Bischöfe haben sich standhaft geweigert, obwohl man sie durch; staatliche Organe zu der Konferenz zusammengeholt hatte und sie annehmen mußten, daß nach der Verhaftung ihres geistlichen Oberhauptes auch sie festgesetzt würden.

Die Meldung vom Eid der Bischöfe zeigt also in jedem Fall, daß dieser Eid, wenn er geleistet wurde, erzwungen war. Nach; dem Abkommen zwischen Staat und Kirche vom April 1950 hat sich die katholische Kirche in Polen standhaft gegen die einseitige kommunistische Auslegung dieses Abkommens gewehrt. Erst die Verordnung über die Besetzung kirchlicher Stellen dieses Jahres gab den kommunistischen Behörden Ausführungsbestimmu gen in die Hand, die den Widerstand der Bischöfe brechen konnten. Der Primas von Polen, Kardinal Wyszynski, hat gegen sie protestiert bis zum letzten freien Atemzug. Erst nach seiner Verhaftung konnte der geforderte Eid erzwungen werden. Zweieinhalb Jahre Druck, Verfolgung, Verunglimpfung und Zwang waren dazu erforderlich, zweieinhalb Jahre erfolgreichen Heldenkampfes der Kirche für die Wahrheit, für das Recht und die Freiheit.

Auch heute ist keineswegs gesagt, daß die von den Kommunisten berichtete Eidesleistung eine Kapitulation der Kirche bedeutet, denn außer der Undurchsichtigkeit des Vorganges wäre, wie der „Osservatore Romano' am Sonntag feststellte, selbst die Ablegung des Eides, objektiv betrachtet, ungültig. Ein Eid, der unter Zwang abgelegt werden muß, gilt nichts. Daß die polnischen Bischöfe nicht erst seit der Verhaftung ihres Primas, sondern seit dem Beginn der kommunistischen Gewaltherrschaft in Polen unter Druck und Zwangsmaßnahmen stehen, ist der Welt und ist auch in Polen selbst bekannt. Auch diese so tragische Situation eines ganzen Volkes und seiner Kirche ist also nichts anderes als eine neue Form jenes unblutigen Martyriums, das ein Kennzeichen der „modernen" Kirchenverfolgungen ist.

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