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Instrument der Tyrannei

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DIE GESTAPO. Von Edward Crankshaw. Colloquium-Verlag, Berlin. 260 Seiten, 23 Abbildungen. Preis 16.80 DM

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DIE GESTAPO. Von Edward Crankshaw. Colloquium-Verlag, Berlin. 260 Seiten, 23 Abbildungen. Preis 16.80 DM

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Seitdem Kogon sein Buch über den SS-Staaf veröffentlichte, gab es eine Reihe von Untersuchungen über die SS, Gestapo und den SD (Sicherheitsdienst) sowie Biographien über Heinrich Himmler, Schellenberg, Heydrich und andere Angehörige des Polizeiapparates des Dritten Reiches. Ein britischer Schriftsteller unternimmt es, nur die Geheime Staatspolizei zu beleuchten. Das Kapitel der Gestapo, mit ihrer Verflechtung mit dem Staatsapparat des nationalsozialistischen Regimes, gehörte in Nürnberg zu den schwierigsten Materien sowohl der Anklage als auch der Verteidigung. Bewußt hatten Hitler und auch Hirnmler die Kompetenzen der verschiedenen Machtzentren des Polizeiapparates in den einzelnen Phasen der geschichtlichen Entwicklung staatsrechtlich nicht abgegrenzt, ja, es gab zeitweilig selbst bei den Kronjuristen des nationalsozialistischen Regimes Streitfragen über den Machtbereich der Geheimen Staatspolizei. Sie entstand aus den staatspolizeilichen Abteilungen der einzelnen deutschen Länder, wobei Hermann Göring im Falle Preußens die stärkste, diesbezüglich vorhandene Organisation schon frühzeitig an sich riß und als der eigentliche historische Schöpfer der Staatspolizei gelten kann. Daß er ihr noch den Titel einer „Geheimen Staatspolizei“ anfügte, rfag vielleicht auf dem für die preußische Polizei- ebenso wie für die Armeegeschichte wichtigen russischen Vorbild beruhen. Die Gestapo erhielt aber erst durch ihre Ausdehnung auf die außerpreußischen Gebiete durch die Ernennung Heinrich Himmlers zum Kommandeur der politischen Polizei vom Oktober 193 3 bis Jänner 1934 in den Ländern besondere Bedeutung. Am 20. April 1934 wurde Himmler auch stellvertretender Chef der Staatspolizei in Preußen, um am 17. Juni 1936 unter dem Titel eines „Reichsführers der SS und Chef der deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren“ den gesamten Geschäftsbereich der Polizeigewalt zu übernehmen. Dem Reichsmiriister Frick fiel dabei nur die Rolle eines Schattenministers zu, und sehr bald war diese Behörde autonom, um so mehr, als 1943 Himmler selbst Reichsinnenminister wurde. Im vorliegenden Werk wird der Versuch unternommen, die einzelnen Abschnitte der Machtausweitung der Gestapo zu schildern, wobei nicht nur ihre besondere Rolle etwa bei den Ereignissen des 30. Juni 1934, sondern auch in den verschiedenen Phasen der Vorkriegs- und Kriegszeit ausführlich auf Grund des Aktenmaterials der verschiedenen Prozeßakten dargestellt' wird. Die Persönlichkeit Reinhard Heydrichs, der als maßgebender Faktor, ja geradezu als Inspirator Himmlers für die verschiedenen Terrormaßnahmen in Erscheinung tritt, darf nicht unterschätzt werden. Der Ausbruch des zweiten Weltkrieges erweiterte den Bereich weit über die Reichsgrenzen hinaus. Vor allem die verschiedenen Ausrottungsaktionen im Osten, die grauenvolle „Endlösung“ zur Beseitigung des europäischen Judentums, aber auch die im innerdeutschen Bereich geführten Aktionen gegen die Opposition wurden der Gestapo und ihrer sich immer mehr und mehr erweiternden Organisation übertragen. Der Verfasser stützt sich dabei auf viele schon bekannte Publikationen. Es soll aber vermerkt werden, daß das Grundproblem der Polizeiorganisation im totalitären Staat des Nationalsozialismus mit den verschiedenen Querverbindungen zum politisch-militärischen Abwehrdienst, der Stellung in der Verfassung des Dritten Reiches und die Klärung des Phänomens Heinrich Himmler in Veröffentlichungen deutscher Historiker bereits gründlich behandelt wurde. So vermißt man im Literaturverzeichnis Hans Buchheims profunde Arbeit über die „SS in der Verfassung des Dritten Reiches“, die am Deutschen Historikertag in Ulm Aufsehen erregte, desgleichen die 1956 erschienene Untersuchung von Dr. Neusüß-Hunkel vom Institut für wissenschaftliche Politik in Marburg und die britische Ausgabe der Schellenberg-Memoiren.

Seit Gerhard Ritters Buch über Goerdeler ist es auch nicht möglich, zu behaupten, daß die Akten der Gestapo verschollen seien. Sie befinden sich teil- . weise in amęrįkanischeh .Archiven, und einzelne Be- ' stände sinä'sogar wie das 'Wert von Bernhard ‘ Voll- mer, „Volksopposition im Polizeistaat“ (Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, 1957), beweist, erschienen. Es wird also das Werk von Crankshaw mit der zunehmenden Oeffnung der verschiedenen Beutearchive noch eine Ergänzung und Vertiefung finden können, wobei manche personelle und sachliche Unrichtigkeiten Korrekturen erfahren müssen.

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