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Neues wirtschaftliches Schrifttum

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Ein schönes Zeichen der wachen Energien in unserer österreichischen Land- und Forstwirtschaft ist das jetzige Hervortreten des einschlägigen fachlichen Schrifttums. Diese hochstehenden Erscheinungen lassen erkennen, wie ungebeugt durch alle Verluste und Heimsuchungen unser Bauer und Viehzüchter, unser Milch- und Fettproduzent, der Forst- und der Holzwirt wieder an die Arbeit gehen. Soeben ist im österreichischen Agrarverlag die erste Nummer der Fachzeitschrift „D i e L a n d-w i r t s c h a f t“, das Organ der niederösterreichischen und burgenländischen Landwirt-schafts- und Bezirksbauernkammern und ihrer Fachverbände, nach sieben Jahren erzwungenen Schweigens wieder auf den Plan getreten. Ihr ganzer Inhalt atmet Wiederaufbauwille und Zuversicht. So in dem Vorspruch des Landeshauptmannes Reith er und des Bundeskanzlers Figl, so auch in den Aufsätzen „Gedanken zum kommenden Frühjahrsanbau“ von Pflanzenbaudirektor Dr. Brandl und „Zum Wiederaufbau unserer Viehwirtschaft“ von Dozent Doktor R e t z 1 und anderen. Mit einem interessante Heft tritt als Organ der Fachverbände aweh „Die österreichische Milch-n d Fettwirschaft“ ihren ersten Jahrgang als halbmonatige Fachschrift an. Ohre Aufsätze beanspruchen Interesse und Wert weit über die nächstbeteiligten Berufsstände hinaus. Direktor Dr. H a u n o 1 d kündigt hier die Absicht an, die Molkereiverbände der Länder au einer Zentralgenossenschaft zusammenzuschließen, der auch die Betriebe der Fettindustrie sowie die Konsumentengenossenschaften angehören sollen. Diese Zentralorganisation habe dann alle jene Fragen zu behandeln, die eine dauernde Lösung der Milch- und Fettprobleme in Österreich zum Ziele haben. Dr. Haunold erklärt:

„Wir haben in Österreich in den Jahren 1918 bis 1938 nicht nur etwas geleistet, sondern auch viel gelernt. Wenn auch heute die Produktion stark darniederliegt, so gibt es Möglichkeiten genug, sie wieder, und zwar in einer relativ kurzen Zeit, in die Höhe zu bringen.“

Dr.-Ing. Anton List erinnert in einem Aufsatz über die Rolle der Wissenschaft für die Milchverwertung daran, daß beim internationalen Qualitätswettbewerb kn Jahre 1937 in Berlin die österreichische Butter unmittelbar hinter der Weltruf genießenden dänischen Butter rangierte. Im gleichen Maße anerkannt gewesen sei die Qualität des österreichischen Emmentalers, für den beim Export sich rege Nachfrage entwickelte. Jetzt werde das Ziel im Käsereiwesen abermals auf höchste Qualitätsware abgestellt sein. Vermerkt sei die Feststellung dieses Fachmannes:

Unser derzeitiger Bedarf an Molkereileitern, Betriebsleitern, Molkereigehilfen, Buttermeiern, Käsern, Kontrollassistenten, Laboratoriumsgehilfen ist so groß, daß die Lehr- und Versuchsanstalt für Milchwirtschaft in W o 1 f-p a t s i n g für die nächsten Jahre mit einem großen Überangebot an Schülern und einer großenNachfrage nach Absolventen rechnen wird müssen. Die Anstalt sei mit chemischen und bakteriologischen Laboratorien ausgestaltet worden.

Aus den weiteren aufschlußreichen Aufsätzen seien hier noch zwei genannt, die auch zeitgeschichtlich wervoll sind. Ing. H a r 11 schildert die Milchversorgung Wiens & 3em Belagerungsmonat April 1945, in dem schließlich auf die Wiener Milchmeier allein die Versorgung von 15.00Q Säuglingen fiel, die mit verfügbaren 5000 Litern hätte bestritten werden sollen. Am 8. Mai konnte endlich eine Wiener Molkerei — die einzige — den Betrieb aufnehmen, der bis zum 25. Mai von 1200 auf 5000 Liter gebracht werden konnte. (Der normale tägliche Bedarf Wiens war 1937 $50.000 Liter.) Interessant ergänzt die Ausführungen Franz K o r z e r a : Die Milchversorgung Wiens sei im letzten Dezember doch schon auf rund 30.000 Liter Frischmilch und 36.000 Liter gelöste Trockenmilch gebracht worden. Doch legte die große Masse der Rückwanderer, die durch Wien zog, neue Erschwernisse auf. Im Dezember waren insgesamt 17.000 Säuglinge, 40.000 Kinder von ein bis drei Jahren, 63.000 von drei bis sechs und 60.000 von sechs bis zwölf Jahren zu versorgen und 20.000 Kranke.

Als dritte Halbmonatsschrift ist gleichzeitig im Agrarverlag „Österreichs Forst- und Holzwirtschaft“ erschienen, Organ der amtlichen Stellen und der Körperschaft dieses wichtigen Sektors. Auch hier konzentrierte fesselnde Sachlichkeit. Ein Programmvorspruch von Hofrat Professor Lorenz und ein großer Aufsatz von Ing. Felix F e e s t leiten die Fach auf-sätze ein. Man kann es verstehen, daß der Forstmann von seinem Standpunkte aus angesichts der jetzigen großen Brennholz-notschlägerungen sagt:

„Wenn unter dem Drucke der ungeheuren Brennstoffnot die Holzwirtschaft für die Holzversorgung der Notsundsgebiete aufzukommen hat, so geht dies entweder auf Kosten der Nutzholzproduktion oder der Waldsubstanz und bedeutet in jedem Falle für den Wald und die gesamte Holz-

wirtschaft ein schweres, ihren Bestand bedrohendes Opfer. Die dem Nutzholzsektor entzogenen Holzmengen gehen der Industrie und dem Gewerbe verloren. Da sich aber die Holzproduktion von der Holzfällung bis zur Anlieferung an die verarbeitende Industrie auf einen Zeitraum von mindestens sechs bis zwölf Monaten erstreckt, laufen diese Wirtschaftszweige Gefahr, zu einem ebensolangen Stillstand verurteilt zu werden. Hiedurch droht der in ihnen tätigen Arbeiterschaft Erwerbslosigkeit und Not. Wird aber die erhöhte Brennholzproduktion zu Lasten der Waldsubstanz durchgeführt, dann werden die auf Jahrzehnte festgesetzten Wirtschaftspläne umgestoßen und damit die Holznutzung auf viele Jahre auf das schwerste beeinträchtigt.

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