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Repräsentant einer Generation

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CLAUS GRAF STAUFFENBERG. 15. November 1907 bis 20. Juli 1844. Das Leben eines Offiziers. Von Joachim Kramarz. Bernard -&-Graefe-Verlag für Wehrwesen, Frankfurt am Main, 1965. 245 Seiten. Preis DM 39.—.

Claus Graf Stauffenberg hat als Attentäter des 20. Juli 1944 schon viele Journalisten und Historiker beschäftigt, ohne daß bisher eine befriedigende Biographie vorlag. Am ehesten hat noch Eberhard Zeller in seinem umfassenden Werk „Geist der Freiheit“ den militärischen und politischen Werdegang Stauffenbergs erfaßt und eine richtige Beurteilung im Rahmen der Vorgeschichte der Erhebung des 20. Juli 1944 versucht. Zahlreiche andere kürzere oder umfangreichere Arbeiten basierten zum größten Teil auf sehr fragwürdigen Quellen, wozu noch kam, daß manche Publizisten der deutschen Bundesrepublik Stauffenbergs Rolle vor allem in den politischen Vorplanungen überschätzten und anderseits die Geschichtsschreibung der DDR, aber auch der Sowjetunion dem Obersten aus schwäbischem Uradel und Ur- urenkel Gneisenaus als einzigem der Männer des 20. Juli 1944 eine besondere Stellung einräumten. Damit wurde der seinerzeit von Gisevius vertretenen These, Stauffenberg wäre innerhalb des engsten Kreises um Goerdeler für eine „Ostlösung“ für den Pall von Friedensverhandlungen einer neuen deutschen Regierung eingetreten, zumindestens optisch eine gewisse Aufwertung zuteil. Alle Stauffenberg-Biographien leiden, und dies gilt auch von der vorliegenden, sehr sorgfältigen von J. Kramarz, am Mangel an Quellen sowohl für die entscheidenden militärischen Lehrjahre als auch für die konspirative Tätigkeit des Obersten, die 1943 einsetzte. Der Verfasser hat durch umfangreiche Befragungen von Kameraden und Vorgesetzten sowie eine objektive und kritische Benutzung des sogenannten „Kal- tenbrunner-Berichtes“ über den 20. Juli 1944 den Versuch unternommen, das Bild Stauffenbergs plastischer zu gestalten und da und dort aufgetauchte Legenden zu zerstören. Die Laufbahn des hochbegabten jungen Offiziers verlief normal von der Reichswehr zur sich rasch vergrößernden Armee des Dritten Reiches. Stauffenberg galt nicht nur militärisch als hochbefähigt, sondern war geistig schon allein durch seine Zugehörigkeit zum engen Kreis um Stefan George vielseitig interessiert. Der unpolitische, aber national denkende Offizier genoß offensichtlich die besondere Förderung des Chefs des Generalstabes, Generaloberst Franz Haider, von dem er auch die ersten Andeutungen über die Spannungen zwischen der hohen Generalität und Hitler erfuhr. Hohe Stabsstellungen während des West- und Ostfeldzuges gaben ihm den Einblick in die furchtbare Überforderung der militärischen und wirtschaftlichen Kräfte Deutschlands, Als Oberstleutnant, Anfang 1943 nach Afrika versetzt und dort schwerstens verwundet, kam er noch glücklich in ein Heimatlazarett, um dann im Rahmen des Oberkommandos des Heeres, vor allem im Ersatzheer mit den Gruppen des militärischen Widerstandes zusammenzutreffen. Die Verbindung wurde durch verschiedene Offiziere her- gestellt, vor allem durch General der Infanterie Friedrich Olbricht, und sehr bald war Stauffenberg gemeinsam mit seinem Bruder Bertold der Mittelpunkt der „Grafengruppe“ innerhalb der immer aktiver werdenden Widerstandskräfte um Beck und Goerdeler. Interessant für die Einstellung dieser Gruppe ist das weitgehende Verständnis für soziale Fragen, bei Stauffenberg noch angereichert durch seine Freundschaft mit dem sozialdemokratischen Politiker Dr. Julius Leber.

Bei allen Planungen, und das anerkannte auch die Gestapo, war die Idee, mit Hilfe der „Walküre- Alarmpläne“ Hitler abzusetzen, die einzige durchführbare Aktion, hinter der Olbricht und Stauffenberg standen. Den Attentatsbeschluß übernahm Stauffenberg erst, wie Kramarz nachweist, nachdem verschiedene andere Unternehmungen, Hitler zu beseitigen, fehlgeschlagen waren, getrieben durch die dramatische Entwicklung seit dem Beginn der Invasion und dem Zusammenbruch der Ostfront. Das Buch beschränkt sich natürlich auf Stauffenbergs eigene Rolle, soweit sie auch im Rahmen der politischen Planungen erkennbar erscheint, übersieht aber manche schon erforschte Teilaspekte, wie etwa die sehr genauen Vorbereitungen innerhalb der österreichischen Wehrkreise. Hinter dem biographischen und kriegshistorischen Sachgehalt des Buches erhebt sich die Frage nach den ungeheuren seelischen Spannungen dieses Offiziers, der durch seine Tat den Sturz Deutschlands in den Abgrund verhindern wollte. Nicht nur Attentäter, sondern Repräsentant einer enttäuschten Generation, handelnd aus seinem Gewissen, so entsteht das Bild des dm 37. Lebensjahre am 20. Juli 1944 durch ein Standgericht erschossenen Generalstabsofflziers, der in einem Brief für einen gefallenen Freund einmal schrieb: „Ich glaube, daß der Himmel denen gnädig ist, die der Erfüllung ihrer Aufgabe alles opfern.“

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