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„Im Stich gelassen..

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WIDERSTAND, STAATSSTREICH, ATTENTAT. Der Kampf der Opposition gegen ttittir’. Von Wtfer7 itoff- mann, Piper & Co., München. 988 Seiten. DM 58.—.

„Sie haben mich ja alle im Stich gelassen …”

Mit diesen Worten charakterisierte Graf von Stauffenfoerg gegen 22 Uhr des 20. Juli 1944 sein Attentat und die Ereignisse darnach.

Es war und blieb das trostlose Bekenntnis eines Mannes, der zum Symbol des Widerstandes gegen Hitler wurde.

Nunmehr hat der ln Amerika lehrende Professor Peter Hoffmann nach jahrelangen Studien eine praktisch vollständige Darstellung des Widerstandes gegen Hitler, den Nationalsozialismus in Deutschland und das Dritte Reich von 1933 bis 1945 vorgelegt, die als Standardwerk schlechthin gelten kann.

Die mit wissenschaftlicher Akribie zusammengetragene Darstellung zeigt die Vielfalt der Formen des Kampfes gegen Hitler und sein Regime auf, die Umsturzpläne im Zusammenhang mit der Sudetenkrise, die vielfältigen Formen des Widerstandes in der Wehrmacht, die Fälle Hassel, Popitz, Goerdeler und Kreisau, die Kontakte deutscher Widerständler zu den Kriegsgegnern, die Anschläge im Münchner Löwenbräu, den Versuch des Architekturstudenten Hirsch, die Vorbereitungen der Gruppe Römer; schließlich aber die Organisierung eines großangelegten Staatsstreiches durch führende Wehrmachtsoffiziere, deren Höhepunkt die Ermordung Hitlers durch Stauffenberg und die Machtergreifung mit sofortigem Frieden mit den westlichen Alliierten sein sollte. Wir wissen heute um die tragischen Ereignisse Bescheid, die den Plan der Attentäter des 20. Juli zerschlagen haben, diese Flut von Zufällen, unglücklichen Zusammenhängen, Feigheit, Verrat und jener anerzogenen preußischen „Tugend” des Gehorsams, die die beste Verbündete der Tyrannei ist. Hoffmanns Darstellungsform ist knapp; kalt auch in der Schilderung der dramatischen Stunden in der Bendlerstraße, (dem Nervenzentrum der Attentäter) und präzise. Er schildert die grauenvollen Folterungen und Hinrichtungen der Attentäter mit der gleichen scheinbaren Teilnahmslosigkeit, wie die Prozesse vor dem Volksgerichtshof, die er aktenmäßig wiedergibt. Gerade diese Form der Darstellung von zeitgeschichtlichen Ereignissen, die Nährstoff der Emotion und des Gefühls sind, heben das Buch über alle verwandten Darstellungsversuche heraus.

Das Fazit wird auf 1000 Seiten deutlich: in diesem Land, in dem Hitler und seine Partei nach den Gesetzen der Demokratie in freien Wahlen zur Macht gekommen war, gab es so viele mutige und bewußte Menschen, daß man von Kollektivschuld nie sprechen konnte. Der Widerstand war mehr als der Versuch von kleinen Außenseitergruppen. Er reichte in alle Volksschichten und wurde am stärksten manifest in einer führenden Schicht deutscher Militärs. So wird auch klar, daß nicht die Linke den Widerstand monopolisieren kann, sondern aufrechte Katholiken, Protestanten, Konservative und Liberale in Uniform und in Zivil, die die Hauptlast der Verantwortung und des Blutzolls trugen.

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