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Salzburger in Georgia

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Zu den frühen Siedlern im amerikanischen Bundesstaat Georgia gehörten die sogenannten Salzburger, Nachfahren der Vallenser (der Name ist von den piemontesischen Alpentälern abgeleitet), die wegen ihres starren Festhaltens an der protestantischen Glaubenslehre sich in die unzugänglichen Berge der französischen Dauphine, der Schweizer und der Tiroler Alpen zurückgezogen hatten.

Als im Jahre 1727 die Regierung des Salzburger Gebietes an den Erzbischof Leopold Anton Freiherr von Firmian überging, setzte die Verfolgung der Protestanten erneut und verstärkt ein, und drastische Maßnahmen wurden ergriffen, um das Land von den „Ketzern“ zu säubern. Gemäß einem Edikt vom 31. Oktober 1731 wurden alle mehr als zwölf Jahre alten männlichen Personen, die sich nicht zum katholischen Glauben bekannten, landesverwiesen. Für die Armen galt eine Frist von acht Tagen; den Reichen wurde ein Aufschub von ein bis drei Monaten gewährt. Der Besitz der Wohlhabenden wurde zwar nicht konfisziert (wie dies von Reverend P. A. Strobel gefordert wurde), aber in Anbetracht der Tatsache, daß sie gezwungen waren, ihre Habe innerhalb kurzer Zeit zu verkaufen, bedeutete dies, daß Grundbesitz, Häuser usw. mit großem Verlust veräußert werden mußten.

Das Edikt des Erzbischofs wurde mit Waffengewalt durchgesetzt, und innerhalb einiger Monate verließen nicht weniger als 22.000 Einwohner des Erzbistums Salzburg ihre Heimat. Diese Massenemigration, die jener der Hugenotten ähnlich war, hatte schwerwiegende Folgen für das Land.

Die Massenauswanderung der Salzburger zog die Aufmerksamkeit anderer europäischer Staaten, vor allem Englands, auf sich, wo es eine Angelegenheit von äußerster Wichtigkeit für die Gesellschaft „Für die- Verbreitung des Christlichen Glaubens“ wurde, die, läut Prinzinger, „wußte, wie man religiöse Gefühle praktisch auswerten konnte“. Zur selben Zeit wurde auch eine Vereinigung zur Gründung einer neuen Kolonie in Nordamerika ins Leben gerufen; dieser verlieh König George II. 1732 (von Rev. P. A. Strobel irrtümlicherweise als Charles II. bezeichnet!) eine Charter, und das gesamte Gebiet zwischen den Flüssen Savannah und Altamaha wurde als Territorium für die neue Kolonie bestimmt. Die Charter wurde an 21 Adelige und Vornehme in England verliehen, die die „Bevollmächtigten für die Gründung der Kolonie von Georgia in Amerika“ bildeten, zu dem Zweck, „den bedürftigen Bewohnern Großbritanniens eine neue Heimat und Existenzgrundlage zu verschaffen“, sowie „eine Zufluchtsstätte für die bedrängten Salzburger und anderen Protestanten.“ James Oglethorpe führte die erste Flüchtlingsgruppe aus England und Schottland (meist Schuldner), die am 20. Jänner 1733 den Grundstein zu der Stadt Savannah an der Mündung des Flusses gleichen Namens legte.

Zur selben Zeit setzte sich auch die englische Gesellschaft „Für die Verbreitung des Christlichen Glaubens“ (de promovenda cognitione Christi) mit Pater Samuel Urisperger in Augsburg in Verbindung und bot ihm und seiner Flüchtlingsschar aus Salzburg freien Durchzug von Deutschland nach Rotterdam an; (das britische Parlament gab eine großzügige Geldspende und weitere £ 4000 wurden im Jahre 1732 aus privaten Mitteln für einen solchen Zweck aufgebracht); überdies wurden jedem einzelnen Salzburger bei seiner Ankunft in Georgia drei Parzellen Land zugeteilt — „eine zum Bau eines Hauses mit Hof in der Stadt; eine für einen Garten in Stadtnahe und ein Baulos als Ackerbauland in geringer Entfernung von der Stadt (insgesamt ungefähr 20 ha), und zwar als freien Grundbesitz für sie und ihre Erben für alle Zeit“. Außerdem verpflichteten sich die Bevollmächtigten, die Siedler mit Vorräten einzudecken, bis die Felder ihnen den Lebensunterhalt liefern würden. Als Gegenleistung für dies sehr großzügigen Schenkungen mußten sich die Salzburger verpflichten, den Anordnungen der Bevollmächtigten Folge zu leisten und Bürger von Georgia zu werden, mit allen Rechten und Privilegien der Engländer.

42 Salzburger Familien aus Augsburg, insgesamt 78 Personen (die Namen dieser ersten Einwanderer sind bei Rev. P. A. Strobel nachzulesen), nahmen die Einladung an. Unter Führung des britischen Kommissars von Reck verließen sie am 31. Oktober 1733 Augsburg, und über Würzburg und Frankfurt erreichten sie Rotterdam, wo sich ihnen am 27. November die von ihnen ausgewählten Lehrer und die Pastoren John Martin Bolzius und Israel Christian Gronau, beide aus Halle in Deutschland, anschlossen. Nach einer stürmischen Überfahrt kamen sie am 21. Dezember in Dover, England, an. Hier wurden sie mit herzlicher Gastfreundschaft empfangen und legten den Huldigungseid auf England ab.

Am 8. Jänner 1734 schifften sich die Salzburger auf dem Segelschiff Puriburg (das erste Schiff, das deutsche Auswanderer trug) ein und erreichten Charleston in Südkarolina am 5. März. James Oglethorpe begrüßte die Salzburger persönlich und begleitete sie entlang der Küste nach Savannah, wo sie am 12. März eintrafen (reminiscere-Sonntag nach dem protestantischen Kalender).

Oglethorpe überließ den Salzburgern die Entscheidung über ihre endgültige Ansiedlung. Sie wählten ein Gebiet am Flußufer, 26 Meilen landeinwärts von Savannah, welches sie Eben Ezer (zu deutsch: Helfenstein) nannten; dort begannen sie sofort mit der Errichtung von Blockhäusern und mit der Urbarmachung des Bodens. Diese Salzburger Kolonie grenzte unmittelbar an das Gebiet der Uitchi-Indianer, sie wurde später als St. Matthew’s Parish (St. Matthias-Pfarre) bekannt und schließlich Effingham genannt (nach Lord Effingham, der im Jahre 1755 im Parlament den Widerstand der amerikanischen Kolonien verteidigte).

Sobald die ersten Wohnstätten errichtet waren, bauten die Kolonisten eine Kirche, und in kürzester Zeit war Ebenezer eine engverbundene Gemeinschaft. Die beiden Pastoren heirateten die Töchter der Salzburger Familie Rohrmoser und wurden die Führer und leuchtenden Vorbilder dieser Kolonie.

Die günstigen Berichte, die diese Einwanderer nach Europa' sandten, veranlaßten den britischen Kommissär von Reck, eine zweite Gruppe Salzburger zusammenzustellen und sie den ersten Auswanderern nachzusenden. Im September 1734 traten weitere 49 Personen ihre Reise an, erreichten Savannah am 13. Jänner 1735. Die meisten Neuankömmlinge waren Handwerker, die in der Kolonie dringend benötigt wurden.

Die ursprüngliche Ansiedlung von Ebenezer stellte sich nicht als die beste Wahl heraus. Der niedere Wasserstand des Flusses im Sommer gestaltete die Verbindung mit Savannah zu einem überaus schwierigen Transportproblem. Nachdem ein Jahr hindurch laufend Gesuche eingebracht worden waren, an einen anderen Ort ziehen zu dürfen, gab Oglethorpe den Salzburgern schließlich die Erlaubnis, ein anderes Gebiet auszusuchen. Dieses wurde ungefähr eine Meile nordwestlich des alten Gebietes, auf einer den Savannahfluß überragenden Felsenklippe gefunden. Im März 1736 zogen die Salzburger in den neuen Landstrich, der wegen der Farbe seines Bodens „red bluff“, (zu deutsch: Rothe Bichl) genannt wurde. Hier wurde die neue Stadt Ebenezer angelegt. Ihre Größe betrug ein Viertel einer englischen Quadratmeile und wurde in 160 Baulose geteilt, mit drei breiten, von Ost nach West verlaufenden Straßen, in die eine Anzahl von engen Gassen einmündete. Baugrund für eine Kirche, vier Marktplätze, eine Schule, ein Waisenhaus und ein Lagerhaus waren vorgesehen. Plätze für die einzelnen Häuser und Stallungen wurden den ;e Salzburgern durch das Los zugewie sen. Jede Familie erhielt auch einen Garten im Ausmaß von rund 20X30 m sowie ein knappes ha Land in Stadtnahe. Die Wälder und Wiesen rund um die Stadt waren Gemeinschaftsbesitz.

Während die neue Stadt noch geplant und ausgebaut wurde, ermutigten die Gründer der Kolonie Georgia eine dritte Gruppe von Salzburgern, sich ihren Brüdern und ehemaligen Landsleuten anzuschließen. Die Einladung erging diesmal an die Salzburger Flüchtlinge aus Regensburg, und 80 Personen folgten dem Ruf. Ihnen schlossen sich eine Gruppe mährischer Ordensbrüder (Herrenhuter) an sowie eine Gruppe schottischer Hochlandbewohner. Zwei Schiffe wurden zum Abtransport der neuen Auswanderer benötigt, für insegsamt 300 Personen. Ungefähr 100 dieser neuen Einwanderer siedelten sich auf der Insel St. Simon (100 Meilen südlich von Savannah) an, während die übrigen in die Gemeinde von Ebenezer zuzogen.

Allmählich jedoch wuchs und blühte die neue Stadt Ebenezer auf. Major Stephens, der Ebenezer im Auftrag und Namen von Gouverneur Oglethorpe besuchte, schrieb dem Gouverneur einen begeisterten Bericht über die Salzburger und hob besonders lobend die Art hervor, mit der diese ihre Tiere pflegten sowie ihre Geschicklichkeit in der Viehzucht. Daraufhin beschloß Oglethorpe, englische Jugendliche nach Ebenezer zu senden, damit diese von den Salzburgern die betreffenden Kenntnisse erwerben könnten.

Am 15. Juli 1739 kamen einige weitere Einwanderer aus Augsburg in Ebenezer an. Die letzte Salzburger Gruppe traf im Jahre 1741 in Georgia ein. Diese Gruppe bestand aus versprengten Resten von Salzburgern in Deutschland, insgesamt 63 Personen, die sich in Cannstadt versammelten und von dort über Rotterdam nach London gelangten. S.ie verließen England am September . und erreichten , die. Küste von Georgia am 30. November. Die Mehrzahl dieser neuen Einwanderer waren Bauern sowie einige Handwerker und Salinenarbeiter. Sie alle siedelten sich in Ebenezer an.

Außer Ebenezer gab es auch noch eine andere Kolonie in Georgia, die von Salzburgern und deutschen Einwanderern besiedelt war: Friderika auf der Insel St. Simon. Ein Besucher dieser Kolonie nannte sie „das ruhige Dorf der Salzburger“. Aus verschiedenen Gründen wurde jedoch die Stadt im Jahre 1751 verlassen und aufgegeben.

Dafür wuchs Ebenezer vor und während der amerikanischen Revolution weiter an. Bis zirka 1745 stieg die Einwohnerzahl auf 500. Im Jahre 1752 kam noch eine beachtliche Zahl deutscher Einwanderer aus Württemberg hinzu.

Obwohl die Salzburger bei Ausbruch des Bürgerkrieges in ihrer Loyalität nicht einmütig waren, überwog doch die Partei, die einen Bruch mit England befürwortete. Unter den Namen von Rebellen, die vom englischen Parlament veröffentlicht worden waren, fanden sich drei Salzburger Namen: Treichl, Stirk und Strohacker. Treichl wird als „Rädelsführer“ bezeichnet.

Anfang des 19. Jahrhunderts fand auch die unabhängige Rolle, die die Salzburger in der Geschichte Georgias gespielt hatten, ein Ende. Englisch wurde die offizielle Sprache, sogar in der Kirche wurde der Gottesdienst nicht mehr in deutscher Sprache gehalten (1824). Fremde Einflüsse und Brauchtum verdrängten österreichisches und deutsches Brauchtum. Viele Nachkommen der ersten Siedler zogen nach Savannah und anderen Städten. 1830 zerstörte ein Brand den Großteil von Ebenezer, und man entschloß sich, in Anbetracht der ungünstigen Lage keine neue Stadt aufzubauen. Seither gibt es kein Ebenezer mehr, es ist Geschichte geworden. Und wenn nicht die vielen Namen österreichischen und deutschen Ursprungs in der heutigen Bevölkerung von Savannah und anderen Städten in Georgia dafür Zeugnis ablegten, würde nichts mehr an die einst blühende Kolonie der Salzburger erinnern.

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