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Bilder aus Anatolien

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Höhlenberge und Gastburgen. Von CI. und G. Holzmeister. 128 ganzseitige Schwarzweißphotos und 11 Farbtafeln. 36 Seiten Begleittext von Prof. Dr. Rudolf Fahrner. Oesterr. Staatsdruckerei. Preis 190 S.

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Höhlenberge und Gastburgen. Von CI. und G. Holzmeister. 128 ganzseitige Schwarzweißphotos und 11 Farbtafeln. 36 Seiten Begleittext von Prof. Dr. Rudolf Fahrner. Oesterr. Staatsdruckerei. Preis 190 S.

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In den Jahren, da Clemens Holzmeister in Ankara für die Hauptstadt der neuen Türkei ihre monumentalen Staatsbauten schuf, ist das eben erschienene Werk gereift, ein landschaftliches, architektonisches und kulturgeschichtliches „Tausend und eine Nacht“. Zuvor hat noch kein Buch in solcher Art den heroischen Zauber des kappadozischen Herzstückes von Anatolien eingefangen. Weit südöstlich von Ankara, beiläufig zwischen Kaysrri — dem Cäsarea der Antike — und Konya, dem einstigen Ruhm des Seldschuken-Reiches, breitet sich eine eigenartige Landschaft: sie wurde in Urzeiten von mächtigen Vulkanen geformt, die eine weite Umgebung mit ihrem Aschenregen überschwemmten. Diese hellbraune Asche verstockte zu Tuff und legte sich in mehreren, viele Meter hohen Schichten als eine feste Hülle über das Land, die, weicher als gewachsener Stein, von den Steppenstürmen und wilden Wässern gemodelt werden konnte. Früh entdeckte hier der Mensch die Gunst der Natur, die ihm gestattete, sich hier in Schluchten und Höhlen zu vergraben und gegen Feinde zu schützen. Hier entstanden wahrscheinlich schon in prähistorischer Zeit menschliche Schlupfwinkel, die an Stellen zu ganzen Höhlenstädten anwuchsen. In ihnen fand der besinnliche Mensch der ersten christlichen Jahrhunderte auf seiner Weltflucht und strengen Gottsuohe Rast und Obdach. In ihnen bildeten sich seine mönchischen Eremitengemeinschaften und Jchweigeklöster. Im 4. Jahrhundert vor Christi wirkte hier Basilius, der Begründer des morgenländischen Mönchtums, gemeinsam mit dem hl. Gregor von Nazianz, dem Sohne dieses Landes, unter statutarischer Ordnung mönchischer Gemeinden. Eine reiche monastische Literatur sproß aus diesem Lande der Vulkane. Die Kirche hat Basilius zum Kirchenlehrer erhoben, sie verlieh ihm den Beinamen „der Große“. Als Lehrer der mönchischen Askese drangen sein Geist und sein Beispiel bis an die Grenzen des römischen Imperiums. Die Glaubensmacht, die hier waltete, tritt in den Bildern Holzmeisters erschütternd in Erscheinung. In die Tufflandschaft, die ihre blaßgrünen Pappelhaine und da und dort ihren Fruchtboden hat, waren in der Frühzeit des Christentums unzählige klösterliche Stätten eingegraben, die mit primitiven Mitteln hergestellten Kapellen und Kirchen. Welch eine Landschaft! Die Natur hat sie phantastisch gebosselt. Da reihen sich gespenstisch in Mäntel gehüllte Riesengestalten zu langen Zügen, modelliert durch Bodenerosion und fegende Stürme, die aus der Wüste heranbrausen. Da erheben sich beköpfte Steintürme und seltsame Pyramiden. Wohin man blickt, hat sich der Mensch bis hoch hinauf in die Felsenkegel und Gipfel durch Treppen und Gänge, Stockwerk um Stockwerk hinaufgearbeitet zu Kammern und Sälen, Plattformen und säulengeschmückten, mit byzantinischer Bild-und Steinmetzarbeit bereicherten Kirchen. Sicher waren diese Festungen der Weltflucht dann auch in Zeiten der seldschukischen Eroberungszüge und Glaubenskriege auch Bergestätten der bedrängten Christenheit. Heute gibt noch von dem Leben in Kappadozien die lange Reihe von mächtigen Festungen Zeugnis, die von den seldschukischen Herrschern in langer Zeile von weit her am Rande der Wüste zu ihrer Hauptstadt geführt wurden, eine Kette von geräumigen Burgen, königlichen Hallen, mächtigen Reiseherbergen, die für die Aufnahme ganzer Karawanen bestimmt waren, ihnen Rast, Lagerfeuer, Nahrung und Sicherheit gegen Wüstenräuber und wildes Getier boten. Diese gewaltige in Rot und Gelb aufglühende Vergangenheit zitiert Holzmeisters Pinsel und die Feder Professor Fahrners, des deutschen Sprachwissenschaftlers der Universität von Ankara, in atemberaubender Schönheit vor die Gegenwart.

Man möchte meinen, dieses Werk ist von einem solchen Reichtum erst halber Enthüllung, daß es nach dem mutigen Forscher ruft, der sich aufmacht, die hier noch des profanen Historikers und des Kirchen-geschichtlers harrenden Schätze zu heben.

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